Seit spätestens 1934 belebt der durchsichtigste Wels der Welt die Süßwasseraquarien. Es handelt sich um einen Vertreter der Echten Welse (Siluridae), auch sonst einer Familie der Superlative. Immerhin gehört der einheimische Waller (Silurus glanis) hierher, einer der größten Süßwasserfische der Erde.

Verglichen mit anderen „Glasfischen“, etwa den Glasbarschen (Ambassidae) oder den Glassalmlern (Roeboides), ist der Indische Glaswels geradezu atemberaubend transparent. Er spielt in einer Liga mit den Glasbärblingen (Danionella) oder den Glasgrundeln (Gobiopterus), bei denen man sogar in den Eingeweidesack blicken und die Umwandlung von Artemia-Nauplien zu Faeces studieren kann.



Der Indische Glaswels wurde zunächst als Kryptopterus bicirrhis VALENCIENNES in CUVIER & VALENCIENNES, 1840 identifiziert. Importiert wurde die Art schon immer aus Thailand, das damals noch zu „Hinterindien“ zählte. Der deutsche Name ist etwas irreführend, denn heute versteht man unter „indisch“ nur noch vom eigentlichen indischen Subkontinent Stammendes. In den 1990er-Jahren kamen Zweifel auf, ob es sich beim Indischen Glaswels wirklich um K. bicirrhis handele. Man bestimmte ihn als K. minor ROBERTS, 1989, eine viel ähnlicher aussehende Art.

Nun erkannten Heok Hee NG und Maurice KOTTELAT, dass der Indische Glaswels auch nicht mit K. minor, der nach gegenwärtigem Wissen nur auf der Insel Borneo vorkommt, identisch ist, sondern eine wissenschaftlich noch nicht bearbeitete Art darstellt, die sie als K. vitreolus beschrieben. Von K. bicirrhis unterscheidet sie sich unter anderem durch die extreme, glasartige Durchsichtigkeit; Kryptopterus bicirrhis ist auch transparent, aber eher wie rauchiges Milchglas.

Die K. vitreolus sehr ähnliche Art K. minor hat ein anderes Dorsalprofil: Der Nacken steigt zum Rücken gleichmäßig an, während bei K. vitreolus zwischen Hinterhaupt und Rücken eine Einbuchtung zu sehen ist. Weder K. bicirrhis noch K. minor spielen aquaristisch eine Rolle; sie sind, wenn überhaupt, bisher nur vereinzelt als Beifänge aufgetaucht.

Offenbar erreicht K. vitreolus nur eine Gesamtlänge von etwas über sieben Zentimetern; das größte Exemplar in der Typenserie misst 64,4 Millimeter Standardlänge. Abweichende Größenangaben in der Literatur beruhen wohl ausnahmslos auf Verwechslungen mit anderen Kryptopterus-Arten.

Das Art-Attribut ist eine Verkleinerungsform des lateinischen Wortes vitreus (= „Glas“) und bezieht sich natürlich auf die Durchsichtigkeit der Tiere. Gesicherte Fundorte von K. vitreolus gibt es nur aus einem recht kurzen Küstenstreifen der Ostküste im Süden Thailands, südlich des Isthmus von Kra, und aus den im Norden gegenüberliegenden Bergen von Khao Banthat im Südosten des Landes.

Interessant ist, dass K. vitreolus bisher offenbar nur aus diesem sehr begrenzten Gebiet bekannt ist und dort seit gut 80 Jahren in erheblicher Stückzahl gefangen und in alle Welt exportiert wird. Bis heute dürften alle Indischen Glaswelse Wildfänge sein. Die Art vermehrte sich zwar gelegentlich spontan im Aquarium, von einer planmäßigen Nachzucht kann aber keine Rede sein.

Auch in Südostasien, wo die Nachzucht zahlreicher in westlichen Aquarien nicht gezogener Arten zum Alltagsgeschäft gehören, greift man nach Aussage von Exporteuren stets auf Wildfangtiere zurück.

Das begrenzte (bekannte) Verbreitungsgebiet und die erhebliche Stückzahl exportierter Tiere, deren Zahl man nur schätzen kann – immerhin ist die Art stets und zu moderaten Preisen im Handel –, veranlassten die Beschreiber, eine ausführliche Studie über die Folgen dieser Form der intensiven Nutzung einer wildlebenden Kleinfischart anzuregen. Das ist zu begrüßen, obwohl anzunehmen ist, dass diese heftige Befischung keine negativen Folgen für die Art hat, denn die Nachfrage ist groß, und die Preise bleiben stabil. Wäre der Bestand rückläufig, dürfte man das zunächst an steigenden Preisen spüren, und anschließend würde man die Fische in Aquakultur vermehren.

In der Natur bewohnt K. vitreolus langsam fließende bis stehende, braunes bis schwarzes Wasser führende Habitate. Offenbar kommt es im Aquarium zu einer spontanen Gonadenreife; eine Regenzeit-Simulation scheint nicht notwendig zu sein, um Eier- und Spermien-Produktion anzuregen.

Ein bisschen peinlich ist es also schon, dass bisher offenbar niemand den ernsthaften Versuch unternommen hat, diesen attraktiven und friedlichen Schwarmfisch nachzuzüchten. Vielleicht ist ja die Neubeschreibung eines alten Bekannten Anlass, diese Wissenslücke zu schließen? Ich würde mich freuen, in der DATZ darüber zu lesen …

von Frank Schäfer

Literatur
NG, H. H., & M. KOTTELAT (2013): After eighty years of misidentification, a name for the glass catfish (Teleostei: Siluridae). – Zootaxa 3630 (2): 308–316.