Einheimische Amphibien unterliegen seit 1980 der Bundes­artenschutzverordnung. Seitdem ist es zum Beispiel ver­boten, Lurche, ihren Laich oder ihre Larven der Natur zu entnehmen, um sie im heimischen Gartenteich anzusiedeln. Umso erfreulicher ist es, wenn eine stark bedrohte Art wie der Laubfrosch freiwillig ein solches Gewässer als Laich­habitat auswählt. | VON RAINER DEIBLE

Vor fünf Jahren gestalteten wir unseren Garten um und legten dabei auch einen kleinen Folienteich von etwa 6000 Litern Inhalt an. Auf Technik verzichteten wir ganz bewusst, da von Anfang an kein Fischbesatz geplant war. Stattdessen war­teten wir auf Amphibien und Wirbellose, die das neue Gewässer allein ­finden sollten – keine 1.000 Meter Luft­linie von den Rheinauen südlich von Karlsruhe entfernt sicher nicht aussichtslos.

Während der ersten beiden Sommer beeinträchtigten grüne Faden- und Schwebealgen unsere Freude am Teich. Begünstigt wurde das durch seine Lage – er ist fast den gesamten Tag der Sonne ausgesetzt – und die anfangs eher spärliche Unterwasservegetation.
Obwohl wir schnellwüchsige Wasserpflanzen wie Hornblatt (Ceratophyllum demersum), Krauses Laichkraut (Potamogeton crispus) und Krebsschere (Stratiotes aloides) ein­gebracht hatten, waren Armleuchteralgen (Chara sp.) in dem fast 20 °KH harten Brunnenwasser die ersten gut gedeihenden Pionierpflanzen.
Die Krebsschere verschwand vollständig, während inzwischen Laichkraut, Hornblatt und vom Ufer aus in das offene Wasser gewanderter Tannenwedel (Hippuris vulgaris) das Bild der Unterwasserlandschaft bestimmen. Hinzu kamen drei kleinere Seerosensorten (Nymphaea sp.), Seekanne (Nymphoides peltata) und in der Uferzone Zwergrohrkolben (Typha minima), Blutweiderich (Lythrum salicaria), Froschlöffel (Alisma plantago-aquatica), Fieberklee (Menianthes trifoliata), Nadelsimse (Eleocharis acicularis), Pfeilkraut (Sagittaria sagitti­folia), Sumpfschwertlilie (Iris pseud­acorus) sowie Sumpfminze (Mentha aquatica).
Inzwischen ist das Wasser das ganze Jahr über glasklar, und die Algenprobleme haben sich von selbst gelöst; Geduld hat über Chemie und Technik gesiegt.
Im zweiten Jahr vergaß ich meinen Vorsatz, keine Fische einzusetzen, und kaufte zehn Notropis chrosomus. Die Bärblinge waren ungemein munter und farbenprächtig. Sie waren noch nicht lange im Teich, als ich sie auch schon beim Ablaichen in der Uferzone beobachtete. Einige Jungfische wurden ohne unser Zutun groß. Auch den ersten harten Winter überstanden sie ohne Ausfälle.
Viel kritischer waren die im Sommer auftretenden, extrem hohen Wassertemperaturen, weshalb ich die Tiere doch wieder abgab. Für ihre Pflege würde ich heute eine großzügige Kiesfläche und eine starke Pumpe zum Erzeugen einer ausreichenden Strömung und Sauerstoffanreicherung einplanen. Auf jeden Fall ist diese Art für Gartenteiche hervorragend geeignet, auch wenn sie im Zoohandel immer noch als Warmwasserfisch angeboten wird.
Die ersten zugewanderten Bewohner waren diverse Wirbellose wie Rückenschwimmer und mehrere Arten von Wasserkäfern. Schon bald flogen am Teich auch die ersten Libellen und legten ihre Eier ab. Keine Raritäten, aber immerhin sechs oder sieben Arten sind inzwischen dauerhaft vertreten und geben vor allem beim Schlupf schöne Fotomotive ab.
Die ersten Amphibien waren Teichfrösche (Pelophylax kl. esculentus), die entweder aus dem Altrhein-Gebiet oder aus anderen Gartenteichen zu uns gefunden hatten.
Der Laich der Teichfrösche entwickelt sich nur schlecht, und die Sterblichkeit der Kaulquappen ist hoch. So kommen stets nur wenige Larven zur Metamorphose, die Population wird nie zu groß. Teichfrösche sind Hybriden aus See- und Kleinem Wasserfrosch. Dadurch sind genetische Defekte und als Folge daraus nur eingeschränkt lebensfähige Larven keine Seltenheit. Überraschend ist, dass immer wieder ein paar der Kaulquappen überwintern und sich erst im folgenden Frühjahr zu fertigen Fröschen entwickeln.
Der Laubfrosch (Hyla arborea) wurde zwar in den letzten Jahrzehnten auch in unserer Region seltener, er ist aber immer noch eine Charakterart der Auenlandschaft am Oberrhein. Da er nur zur Fortpflanzung für ein paar Wochen Gewässer aufsucht und den Rest der warmen Jahreszeit auf Büschen und Bäumen lebt, kann man rufende Einzeltiere immer wieder in den Gärten hören. Verzicht auf jeglichen Pestizid-Einsatz und eine möglichst natürliche Bepflanzung sind dafür jedoch unabdingbare Voraus­setzungen. Wer den kleinen, grünen Kletterer hört, hat ihn aber noch lange nicht gesehen. Seine Färbung und sein ruhiges Verhalten tragen dazu bei, dass die meisten Menschen ihn gar nicht entdecken.
Freudig überrascht war ich daher, als mir Mitte April ein Laubfroschmännchen nah an unserem Gartenteich über den Weg hüpfte. Ein paar Tage später war es dann mit der Nachtruhe vorbei. Insgesamt fünf Männchen hatten sich am Ufersaum des Teiches eingefunden und schlossen sich von der Dämmerung bis tief in die Nacht zu einem lautstarken Chor zusammen. Das kräftige „ääp, ääp, ääp“ wird nicht, wie das Quaken anderer Frösche, in Ruhe und mit sonorer Stimme vorgetragen, sondern nach und nach immer durchdringender und aufgeregter – fast im Stil einer Heavy-Metal-Band. Kaum beginnt ein Tier zu rufen, stimmen die übrigen Artgenossen unverzüglich ein.
Wer keinen Ärger möchte, sollte sich Nachbarn aussuchen, die tolerant sind (oder schwerhörig). Manchmal hilft aber auch eine kleine Bestechung mit einer Flasche Wein oder einem schönen Foto vom Laubfrosch …
Hyla arborea bevorzugt sonnige, verkrautete Gewässer ohne Fischbesatz und zumindest teilweise freie Ufer, also ohne Bewuchs. Diese Voraussetzungen muss unser Teich wohl erfüllt haben, denn sonst wäre er als Laich­gewässer kaum akzeptiert worden.
Schon nach drei Tagen waren an den submersen Pflanzen oder an ihren Stängeln dicht unter der Wasseroberfläche die typischen, kleinen Hyla-Laichballen zu finden. Ein Weibchen setzt fünf bis zehn solcher Ballen mit jeweils ungefähr 70 Eiern ab.
Die Entwicklungszeit hängt von der Wassertemperatur ab. Sie betrug bei uns fünf bis sechs Tage. Anschließend klebten die Larven noch kurze Zeit an Gegenständen und begannen dann, sich im Teich zu verteilen.
Hyla-Larven sind mit ihrem großen, weit nach vorn reichenden Flossensaum gute Schwimmer. Oft sieht man sie, frei im Wasser treibend oder unter der Oberfläche hängend, mit viel Ausdauer den Film aus Algen, ­Ein­zellern und Bakterien einschlürfen. Sonst raspeln sie den Algenbewuchs von Pflanzenblättern. Ihren Bedarf an tierischem Eiweiß decken sie mit Kleinkrebsen oder mit Aas.
Sehr wichtig für eine schnelle Entwicklung und geringe Sterblichkeit ist eine geeignete Temperatur. Unter 15 °C stagniert das Wachstum, und die Larven kümmern; daher auch die Vor­liebe vieler Amphibien für flache, stark besonnte Gewässer.
Wie bei allen Kaulquappen wachsen nach ein paar Wochen zuerst die Hinterbeine, und dann brechen aus Hauttaschen, die wie kleine Beulen aussehen, die Vorderbeine hervor. Jetzt schreitet die Entwicklung schnell voran. Die Haftscheiben an den Zehen werden ausgebildet, die Zähnchen fallen aus, und die Maulform verändert sich. Die Farbe tendiert immer mehr zu dem bekannten Laubfroschgrün, das Schwänzchen der Larve schrumpft zusehends, und die Atmung wird umgestellt. Das ier nimmt zu diesem Zeitpunkt keine Nahrung auf und ist beim Verlassen des Wassers nur noch rund 1,5 Zentimeter lang.
Nicht alle Larven wachsen gleich schnell. So gehen über einen Zeitraum von etwa zwei Wochen täglich neue Frösche an Land und besiedeln die Büsche rund um den Teich. Man muss aber genau hinschauen, um die kleinen Hüpfer zu entdecken; eine gute Tarnung ist für sie überlebenswichtig.
Ein paar der Fröschchen besiedeln inzwischen eine Himbeerhecke im Garten und sind bei schönem, sonnigem Wetter auf der Oberseite der Blätter regelmäßig zu sehen. In der Sonne landen immer wieder irgendwelche Insekten auf dem Laub, und so ist der Tisch für die Lurche reich gedeckt.
Schon zwei Wochen nach der ­Metamorphose sind die Laubfrösche deutlich gewachsen und sehen lange nicht mehr so verhungert aus wie zu Beginn ihres Landlebens. Vielleicht kehren in zwei Jahren ja einige von ­ihnen an den Teich zurück und zeugen eine neue Generation?
Wenn H. arborea auch kein per­manenter Gewässerbewohner ist und die Zerstörung natürlicher Laichgewässer sich nicht durch Gartenteiche aus­gleichen lassen kann, zeigt diese überraschende „Nachzucht“ doch, dass ein durchdacht gestalteter und vernünftig gepflegter Teich mehr sein kann als nur eine optische Zierde.
Auf einen Fischbesatz sollte man, wenn man sich für Wirbellose und Amphibien interessiert, allerdings verzichten. So schön manche Goldfisch- oder Koi-Teiche auch aussehen, beides zusammen wird selten richtig gut funktionieren. Aber vielleicht findet sich im Garten ja auch Platz für zwei Teiche …