Paraguay 50In den Fluten des Río Paraná und des Río Paraguay wimmelt es von aquaristisch beliebten, aber auch weniger bekannten Fischen – Grund genug, diese Gewässer einmal etwas genauer in Augenschein zu nehmen. | Von Joachim Grad

Gemeinsam mit Hans-Günther Breidohr, Hans-Peter Risch und Achim Ulmer breche ich im Februar 2011 zu einer Fischfangreise nach Paraguay auf. Zwar steht das Erkunden der aquatischen Fauna auf unserer Agenda ganz oben, doch wollen wir auch das uns bisher aus eigener Anschauung noch nicht bekannte Land etwas näher kennenlernen. Feuchte, 35 °C warme Luft empfängt uns am Internationalen Flughafen „Silvio Pettirossi“ in Asunción. Schon von der Schweiz aus hat Hans Peter einen Geländewagen mit Allradantrieb geordert.

Ein Angestellter der Autovermietungsfirma „Reina“ aus Caacupé holt uns pünktlich am Airport ab. So beginnt unser kleines Abenteuer ganz ohne Stress.
Ebenfalls über Reina haben wir ein Quartier für die erste Nacht gebucht. Auf einem einen Hektar großen, wunderschön gelegenen Grundstück in Caacupé stehen unsere beiden kleinen Bungalows. Umschwirrt von Kolibris und bunten Schmetterlingen, die durch die reichlich vorhandenen Blüten angelockt werden, laden wir unsere Koffer und weiteren Gepäckstücke aus. Ein kleiner, klarer Bach begrenzt eine Seite des Grundstücks. Auch ein kleiner Fischteich, den wir sogleich inspizieren, lässt unsere Herzen höherschlagen.

Dieser Ort ist der perfekte Ausgangspunkt für unsere Reise! Nach einem vorzüglichen Abendessen und einer erholsamen Nacht führt uns am nächsten Tag der erste Weg in Richtung Ciudad del Este. Die Grenzstadt liegt nicht weit entfernt vom berühmten Weltnaturerbe Iguazú.

Zwar hat Paraguay keinen direkten Zugang zu den Wasserfällen, doch sind sie von Ciudad del Este aus leicht und schnell zu erreichen.
Auf der Fahrt dorthin können wir es aber nicht „vermeiden“, schon einmal in den einen oder anderen Tümpel und Fluss zu steigen. Schließlich müssen wir unser Equipment – Zugnetz und Rahmenkescher – auf seine Tauglichkeit hin prüfen ...

Vor unserer Ankunft hat es hier eine Woche lang stark geregnet, sodass weite Teile des Landes überflutet sind. Tiefe, schier bodenlose Tümpel sind entlang der Straße immer wieder zu sehen. Bis zum Hals im Wasser stehend oder auch schwimmend ziehen wir unser Zugnetz hindurch. Zwar verspricht dieser Einsatz, weil das Netz den Boden nicht erreicht, nicht viel Erfolg, doch das Ergebnis überrascht uns: Salmler aus den Gattungen Hemigrammus, Gymnocorymbus und Hyphessobrycon zappeln in den Maschen. Ausgewachsene Apistogramma borellii mit leuchtend blauem Körper und strahlend gelber Kehle glänzen im Sonnenlicht.

Die ermittelten Wasserwerte offenbaren einen pH-Wert von lediglich pH 5,5 bei einem ebenfalls niedrigen Leitwert von 85 μS/cm.
Nicht nur Tümpel und vollgelaufene Gräben untersuchen wir. Der Arroyo Pastorero, ein kleiner, schnell strömender, mit Sandbänken durchsetzter Fluss zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich, ein typischer Corydoras-Lebensraum.

Tatsächlich finden wir neben den Buntbarschen Gymnogeophagus cf. setequedas und Cichlasoma dimerus sowie verschiedenen Salmlern größere Schwärme eines kleinen, schlanken Panzerwelses, den wir aber nicht näher bestimmen können. Noch so mancher vielversprechende Biotop liegt an unserem Weg. Doch der Blick auf die Uhr mahnt uns, denn wir wollen unser Tagesziel – Ciudad del Este – ja rechtzeitig erreichen.

Die Wasserfälle von Iguazú sind eines der beeindruckendsten Naturwunder.
Der Name entstammt der Indianersprache Guarani und bedeutet „großes Wasser“. Nicht weniger als 275 kleinere und größere Katarakte stürzen auf einer Strecke von 2700 Metern bis zu 90 Meter tief in den Abgrund.

Ohrenbetäubend schießen gewaltige Wassermassen über die Klippen. Gigantische Gischtwolken umhüllen die Besucher in feinen Nebel.
Nach wenigen Sekunden ist man nass bis auf die Haut. Entlang einigen der schönsten Abstürze führen befestigte Wege durch die üppige Natur. In vielen Farben leuchtende Schmetterlinge flattern umher, wir sehen Kolibris und Papageien. Affengeschrei übertönt das Rauschen und Zischen des Wassers.

Zwischen blühenden Orchideen und Bromelien eröffnen sich immer neue Aussichten auf die atemberaubende Szenerie. Der Besuch bleibt ein unvergessliches Erlebnis.

Auf der Straße von Ciudad del Este nach Encarnación, der Ruta 6, kreuzen wir zahlreiche Bäche und Flüsse. Kilometer für Kilometer durchschneidet die Straße Monokulturen, insbesondere Soja-Plantagen. Die Folgen für die Natur sind bekannt, sie zeigen sich auch in den Gewässern: Die trüben, schäumenden Fluten wirken tot. An einer am Weg liegenden Lagune versuchen wir dennoch unser Glück. Mit seiner dichten Ufervegetation und seinen vielen Wasserpflanzen macht dieser Biotop einen geradezu idyllischen Eindruck. Hier muss es doch jede Menge Fische geben …

Beim Betreten der Lagune versinken wir bis zu den Knien in Morast. Übel riechende Faulgase steigen uns in die Nase. Mit Zugnetz und Rahmenkescher suchen wir mehrere Stellen des Gewässers nach Fischen ab – drei oder vier kleine Salmler sind die gesamte Ausbeute, welche Enttäuschung!

Unser Ziel ist Encarnación, genauer: das Örtchen Hohenau in der Nähe der Stadt. Dort wollen wir bei einem Deutschen Quartier beziehen. Auf einem 40 Hektar großen Grundstück haben sich Heinz Brunner und seine liebe Frau ein kleines Paradies geschaffen. Etliche Fischteiche, -bottiche und Aquarien bekommen wir auf dem Grundstück zu sehen, das wie ein botanischer Garten gestaltet ist. Für ein paar Tage dürfen wir hier unsere Zelte aufschlagen – ganz nah am Río Paraná!
Mächtig und breit, lehmig trüb und weit über die Ufer tretend, dabei kaum merklich strömend, aber dennoch mitreißend – so sehen wir den großen Strom. Nur an wenigen Stellen scheint es erfolgversprechend, unser Zugnetz einzusetzen. Viele Bäume und Sträucher stehen unter Wasser und behindern unsere Fangbemühungen erheblich.

Dennoch erbeuten wir eine bunte Mischung von Fischen, an erster Stelle, wie immer, natürlich Salmler. Sehr schöne Leporinus copelandi, Tetragonopterus argenteus in verschiedenen Größen, Wimpelpiranhas (Catoprion mento) und Scheibensalmler (Mylossoma duriventre), Kropfsalmler (Triportheus paranensis), schlanke Bodensalmler (Characidium sp.) und noch einige weitere Arten sortieren wir aus.

Ein wenig aus dem üblichen Rahmen fallen der Messerfisch Rhamphichthys marmoratus mit seinem tütenförmigen Maul und die dicht unter der Oberfläche jagenden Nadelhechte der Gattung Potamorrhaphis. Corydoras polystictus, Rineloricaria parva und zwei oder drei Hypostomus-Arten vertreten die Welse.
Natürlich gibt es auch Buntbarsche. Die Hechtcichliden Crenicichla semifasciata und C. cf. lepidota verirren sich immer wieder in unserem Fangnetz. Auch die allgegenwärtigen Cichlasoma dimerus und Bujurquina vittata, die dicht bewachsene Uferabschnitte des Flusses bevorzugen, lassen sich zwischen den Unmengen von Salmlern ausmachen. Im Rio Paraná ermitteln wir einen pH-Wert von pH 6 bis 6,5 und einen Leitwert von 90 μS/cm bei einer Wassertemperatur von 28 bis 30 °C.

Nach drei Tagen, an denen wir am Arroyo Aguapey eine Menge sehr schöner Piranhas (Serrasalmus marginatus) und Kopfsteher (Leporinus lacustris) in beeindruckenden Größen, einige Crenichla vittata und prächtige Gymnogeophagus balzanii fangen, kehren wir zurück nach Asunción. In der Umgebung von Paraguays Hauptstadt möchten wir an den folgenden Tagen mehrere Gewässer besuchen.

Der Río Paraguay führt ebenfalls Hochwasser. Große und kleine schwimmende Inseln aus Gräsern und Wasserhyazinthen treiben an uns vorüber. Zunächst konzentrieren wir uns aber auf die kleineren Paraguay-Zuflüsse.

Hinter der Puente Remanso, die in den Chaco führt, liegt der Aussichtspunkt Chaco-i. Er bietet einen tollen Blick auf die Skyline von Asunción. Kurz davor strömt ein kleiner Fluss, der in den Río Paraguay entwässert. Hier halten wir an.

Das Flüsschen führt klares, saures und weiches Schwarzwasser. Auch seine Ufer sind überspült. Dort, wo Paraguayer während der Niedrigwasserzeit an Wochenenden und Feiertagen ihre Autos parken und Grillpartys feiern, huschen nun kleine Fische umher.

Auf dem gefluteten Parkplatz lässt sich unser Zugnetz prima einsetzen. Es dauert nicht lange, und wir haben jede Menge Fische in unseren Transportgefäßen, darunter halbwüchsige B. vittata mit leuchtend gelben Kehlen und die verschiedensten Salmler. Unser Prunkstück ist ein wunderschöner Erythrinus sp. Hinzu kommen Hecht- (Crenicichla spp.) und sehr schöne Zwergbuntbarsche (Apistogramma spp.).

Dirket an den Rastplatz schließt sich eine ebenfalls seicht überschwemmte Wiese an, ein optimales Terrain, um unseren „Rammhammer“, einen sehr stabilen, großen Kescher mit langem Stiel, einzusetzen.

Es ist erstaunlich, wie viele Apistogramma sich in der überfluteten Wiese verbergen. Wir machen drei Arten aus: Apistogramma borellii, A. commbrae und A. trifasciata. Dabei fällt uns auf, dass deren Populationen voneinander getrennt zu leben scheinen. So finden wir an einer Stelle hauptsächlich A. borellii, ein paar Meter weiter fast nur A. trifasciata und wieder etwas weiter ausschließlich A. commbrae. Sehr schön gefärbte Killifische bewohnen diesen Lebensraum ebenfalls. Einige kleine Bäche, die allesamt Schwarzwasser führen, beherbergen eine mehr oder weniger identische Fischgesellschaft.

Auf der fast verkehrsfreien „Transchaco“ fahren wir nach Concepción und von dort weiter in den Chaco. Das Bild dieser feuchten Landschaft wird vor allem durch die Flüsse Río Paraguay und Río Pilcomayo geprägt. Das Einzugsgebiet der beiden Flusssysteme umfasst viele kleine und kleinste Wasserläufe. Je nach Stärke der Regenfälle wird diese Region mehr oder weniger regelmäßig überschwemmt. In der Nähe von Belén, einer kleinen Stadt unweit von Concepción, mieten wir eine rustikale Unterkunft. Von hier aus möchten wir mehrere Exkursionen unternehmen, unter anderem ins Pantanal.

Aber leider bleibt uns der Weg dorthin versperrt. Infolge der tagelangen Regenfälle sind die Flüsse weit über die Ufer getreten und alle Straßen unpassierbar. Dort, wo sich sonst gut befahrbare Wege und Pisten durch die Landschaft schlängeln, ergießen sich jetzt trübe Fluten. Unser Vorhaben fällt buchstäblich ins Wasser.

So beschließen wir, an verschiedenen Stellen im Río Paraguay in der Umgebung von Concepción zu fischen. Der Strom transportiert auch hier zahlreiche Pflanzeninseln. Darin und darunter legen allerlei Tiere – natürlich auch Fische – weite Entfernungen zurück. Neben verschiedenen Salmlern und Hechtbuntbarschen erbeuten wir einen 40 Zentimeter langen Lungenfisch (Lepidosiren paradoxus).

Aber auch kleine Wasserschlangen und Krabben in allen Größen verfangen sich immer wieder in unserem Netz. Vor allem in Ufernähe ist die Fischdichte enorm hoch, insbesondere kleine und mittelgroße Salmler halten sich hier auf. Verschiedene Cichliden, Welse der Gattungen Callichthys, Lepthoplosternum, Octocinclus und Hypostomus sowie Kiemenschlitzaale (Synbranchus marmoratus) entdecken wir ebenfalls.

Interessant ist es zu sehen, dass unterschiedliche Kleinhabitate ganz verschiedene Fischgesellschaften beherbergen. So finden wir Apistogramma und Messerfische ausnahmslos in stark verkrauteten Abschnitten. Kleine Antennenwelse (Familie Pimelodidae) oder Raubsalmler der Gattungen Rhaphiodon und Salminus treffen wir fast ausschließlich über sandigem Bodengrund an.

Die im Río Paraguay gemessenen Wasserwerte entsprechen denen des Rio Paraná. Unser letztes Ziel auf dieser Reise ist die Laguna Blanca. Über die Ruta 3 gelangt man nach Santa Rosa del Aquaray. Von diesem Ort aus führt eine etwa 20 Kilometer lange Lehmpiste zu der paradiesisch schönen Lagune.
Ihr weißer Sandstrand ist übersät mit Unmengen von bunten Schmetterlingen, das gesamte Gewässer ist eingerahmt von üppigem Regenwald. In dem kristallklaren, rund 30 °C warmen Wasser wimmelt es von Fischen.

An den Ufern der Lagune erstreckt sich ein kleiner Schilfgürtel. Darin halten sich tausende Salmler der verschiedensten Gattungen und Arten auf. Auch Hechtcichliden (C. cf. lepidota) findet man in allen erdenklichen Größen: Neben Jungfischen sehen wir viele erwachsene Paare mit Gelege, Larven oder frei schwimmenden Jungfischen. Sie sind sehr neugierig, überhaupt nicht scheu und lassen sich gut beobachten und fotografieren. In unmittelbarer Ufernähe – das Wasser ist hier höchstens 30 Zentimeter tief – sehen wir viele Rote Tüpfelbuntbarsche (Laetacara dorsigera), ebenfalls Paare bei der Brutpflege. Zwischen den dichten Algenbelägen finden sie Schutz- und Versteckmöglichkeiten. Manche der Brutreviere liegen nur 30 Zentimeter voneinander entfernt, die Individuendichte ist erstaunlich hoch.

Aber auch die Wasserwerte lassen uns aufmerken: Wir messen einen sehr niedrigen pH-Wert von pH 4 bis 5 und einen Leitwert von nur 3 oder 4 μS/cm!
Der Besuch der herrlichen Laguna Blanca und die spannenden Beobachtungen an ihrer vielfältigen Fischfauna erweisen sich als würdiger Abschluss einer gelungenen Paraguay- Reise, die viel zu schnell vorübergeht und an die wir bestimmt immer wieder gern zurückdenken werden.

Dank
An dieser Stelle bedanke ich mich noch einmal herzlich bei der Firma Aquarium Glaser (Rodgau), die uns nicht nur bei der Beschaffung der erforderlichen Fang- und Ausfuhrgenehmigungen behilflich war, sondern auch die Einfuhr der von uns gefangenen Fische professionell organisierte.