Buchbesprechungen
Innenansichten
Klinkhardt, Manfred (2022): Fische Anatomie Physiologie Lebensweise. – Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 388 S, 364 farbige Abbildungen; ISBN 978-3-510-65543-4; 54,90 €
Spickt man hier und da in ältere Lehrbücher, hinterlassen diese häufig den Eindruck, dass Lernen und Verstehen offenbar wenig Freude bereiten dürfen. Getreu dem Motto: je komplexer das Thema, umso anstrengender für die Lesenden. Menschen mit naturwissenschaftlichem Studium in ihrer Biografie haben darum sicher oftmals noch ihren eigenen, papiergewordenen Alptraum im Kopf. Gut, dass sich Zeiten ändern, und noch besser, dass sich umfassende Zusammenhänge auch dem neugierigen Laien vermitteln lassen – es kommt zum großen Teil vor allem auf die Sprache und die Präsentation an. Dem vorliegenden Werk gelingt der Spagat zwischen Verständlichkeit und exakter Wissensvermittlung, was gerade deswegen bemerkenswert ist, da es laut Autor geschrieben wurde für „alle Leser, die sich im weitesten Sinne für Fische interessieren“. Aquarianer sind da ebenfalls eingeschlossen!
Der Aufbau ist klassisch – zuerst Einleitung, dann Untergliederung in Kapitel und Unterkapitel je nach Strukturen, Organen und Funktionen des Fischkörpers, abschließend stehen die Verzeichnisse (Literatur, Stichworte und Namen). Die Sprache ist angemessen sachlich, aber nie dröge, und sie bringt den Inhalt „auf den Punkt“. Laien (im Sinne von allen, die sich nicht wissenschaftlich mit Fischbiologie, -anatomie und -physiologie beschäftigen) dürften grundsätzlich hervorragend bedient werden. Viele der Abbildungen zeigen Aquarienfische, das hat definitiv seinen eigenen Reiz, besonders für den Teil der Leserschaft, der selbst Tierhalter ist. Farblich abgesetzte Boxen zu Wissenswertem und Kuriosem runden den Gesamteindruck ab – dass derartige gestalterischen Kniffe nicht bloß dazu dienen, das Gehirn des modernen Menschen bei Laune zu halten, wird nach der Lektüre klar.
Manche Bücher schlägt man auf und merkt bereits wenige Minuten nach dem Durchblättern: Volltreffer. Klinkhardt‘s „Fische“ ist ein solcher. Aquarianer, deren Interesse über ästhetische Betrachtungen, trendige Technik oder teure Neuimporte hinausgeht, und die wissen möchten, wie ihre Pfleglinge „funktionieren“, brauchen die richtige, sprich bezahl- und bedienbare Lektüre – hier ist sie.
Sebastian Wolf
Querschnitt durch die Welt der Kriechtiere
Sandra Honigs & Markus Juschka (2023): 111 Reptilien, die täglich unsere Welt verbessern. – Emons Verlag; 240 S.; ISBN 978-3-740812751; 18,00€
Derzeit (Stand: Ende 2022) sind 11.940 Arten von Schildkröten, Krokodilen, Echsen, Doppelschleichen, Brückenechsen und Schlangen beschrieben. Davon werden uns im Buch 111 vorgestellt – mal sind es mehr, mal weniger bekannte Vertreter. Die beiden Autoren sind Fans dieser Tiergruppe und entstanden ist ein Werk, in dem sie ihre Begeisterung teilen wollen – wie üblich in der „111er-Reihe“ nicht nur mit den Eingefleischten, sondern mit allen Interessierten.
Die Reise geht um den Globus, die schwierige Lage, in der sich viele Arten befinden, immer im Fokus: Das Marojejy-Blattchamäleon lebt endemisch auf Madagaskar und ist äußerlich hervorragend an seine Umgebung angepasst. Die kleine Population hat nur ein Problem, denn es werden immer mehr Bäume abgeholzt, damit die Landwirtschaft größere Flächen bekommt. Da nützt alles Tarnen nichts, wenn der Lebensraum vernichtet wird … Hoffnung besteht beim Philippinen-Krokodil: Es sorgte bereits in Europa für Nachzuchten, die inzwischen in der Heimat ausgewildert wurden und sich dort hoffentlich vermehren. Die Westliche Blindschleiche ist bei uns heimisch, und wir erfahren, dass sie gar keine Schlange, sondern eine Echse ist. Die Unterscheidungsmerkmale werden gut verständlich erklärt. Für Bewanderte ein alter Hut – aber ein für die Allgemeinheit gedachtes Sachbuch hat grundsätzliche Aufklärungsarbeit zu bewältigen.
Ein knapper Text auf der einen, ein tolles Foto auf der anderen Seite, dies für jede Art, machen Lust aufs Lesen. Mit dem Kauf wird der Artenschutz unterstützt: Das Honorar der Autoren geht an die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e.V. Dem Werk wünsche ich viele Leser, damit die interessanten, oft verkannten Reptilien viel populärer werden.
Elfriede Ehlers
Inia geoffrensis, der Casanova
Montgomery, Sy (2020): Der Ruf der rosa Delfine. – Eden Books, Hamburg; 1.Auflage, 271 S.; ISBN: 978-3-95910-294-0; 24,00 €
Es sind durchaus mythische Zeitgenossen, denen Sy Montgomery ihr Buch widmet. Die rosafarbenen Delfine des Amazonas sind – wie sollte es auch anders sein – in einer bedrohlichen Situation. Die Autorin ist von diesen Flussbewohnern fasziniert und begibt sich auf die Reise in deren Lebensräume. Die Bemühungen, ihnen zu folgen, laufen jedoch anders ab, als sie es erhofft hatte, und so ist es auch eine Erzählung über diverse Begegnungen mit Natur und Mensch.
Die Reise führt zu den Einwohnern am Amazonas. Dort erfährt man, was die Menschen mit den Delfinen erlebt haben und welche Fähigkeiten man diesen nachsagt – die Geschichten reichen zurück in die Vergangenheit. Es wird z. B. berichtet, dass Menschen sich in Delfine verwandelt hätten und mit ihnen unter Wasser lebten. Zu bestimmten Anlässen tauchten die Delfine bei den Menschen auf (in Gestalt attraktiver junger Männer, um junge Damen zu verführen und zu schwängern) und verschwänden wieder.
Die Autorin tritt auch physisch in Kontakt zu Delfinen. Auf ihrer Reise sieht sie diese an verschiedenen Stellen. Wenn es möglich ist, dann schwimmt sie mit ihnen.
Ich habe durch dieses Buch eine Menge von den Menschen vor Ort und ihrer Lebensweise in und mit der Natur erfahren. Es ist eine Liebeserklärung an die eleganten Delfine mit dem rosa Schimmer. Für mich ist es die erste Begegnung mit diesen besonderen Geschöpfen. Dazu hat auch der nett gestaltete Bucheinband beigetragen. Schlau sieht es aus, das Gesicht vom rosafarbenen Delfin.
Elfriede Ehlers
Urzeitkrebse für Jung und Alt
Kunz, Kriton (2022): Entdecke die Urzeitkrebse – Triops, Feenkrebse & Co. – Natur und Tier - Verlag, Münster, 64 Seiten + 16 Seiten Online-Extra, durchgehend Farbfotos und Illustrationen, Hardcover; ISBN: 978-3866595033; 16,80 €)
„Urzeitkrebse“: Bei älteren Jahrgängen ist dieser Begriff unweigerlich mit den Gimmicks der Yps-Hefte verknüpft. Auch ich, Jahrgang 1970, hatte so die erste Begegnung mit dieser Tiergruppe, als Aquarianer dann weiterhin als günstiges Fischaufzuchtfutter von Firmen wie Hobby und JBL. Was hier verkauft wurde, waren allerdings ausschließlich Artemien, Salzkrebschen aus den Salzseen der USA.
Aber diese Tiergruppe hat weit mehr zu bieten, und als um die Jahrtausendwende erstmals auch Süßwasser-Urzeitkrebse, zuallererst Triops-Arten, später auch verschiedene Feenkrebse und Muschelschaler, zu erwerben waren, verfiel ich diesen spannenden Krebsen. Allerdings gab es lange Zeit dazu nur wissenschaftliche Artikel, dagegen kaum allgemeinverständliche Literatur. Das hat sich zum Glück in der letzten Zeit etwas geändert.
Mit dem Buch „Entdecke die Urzeitkrebse – Triops, Feenkrebse & Co“ hat „Urzeitkrebs-Fan“ Kriton Kunz ein tolles Kindersachbuch herausgebracht, das auch mich als Erwachsenen begeistert! Auffällig ist auf den ersten Blick die sehr ansprechende Bebilderung mit exzellenten Fotos. Beeindruckt hat mich jedoch vor allem das umfangreiche Wissen des Autors, das deutlich zeigt, dass hier nicht jemand „mal eben ein schönes Buch über Tiere“ gemacht, sondern dass Kunz jahrelang Informationen recherchiert hat. Vieles hat auch mich staunen und das Buch sehr kurzweilig werden lassen.
Mir als auch wissenschaftlich interessiertem Urzeitkrebse-Fan wären zwar an vielen Stellen noch mehr Infos und Quellenangaben wünschenswert gewesen, was jedoch Kinder vermutlich überfordert hätte – schließlich ist der Band in einer Kindersachbuchreihe erschienen und wird dem auch gerecht. Auf jeden Fall ist dieses Buch als Überblick für jeden, der sich für Groß-Branchiopoden, wie diese Tiergruppe auch genannt wird, interessiert, sehr empfehlenswert!
Zu meiner großen Freude gibt es im Buch noch einen Link zu einem Extra-Kapitel im Internet, in dem nicht nur jedem deutschen Namen der im Buch erwähnten Urzeitkrebse auch der entsprechende wissenschaftliche zugeordnet ist, sondern das auch eine sehr gute Anleitung zur Zucht bietet. Es ist ein Fakt, dass mittlerweile verschiedene Arten von Urzeitkrebsen von einigen Firmen in teuren Sets für Kinder angeboten werden. Aber ebenso ist es leider wahr, dass damit, wie Kunz hier betont, in den allermeisten Fällen der Erfolg ausbleibt. Am Ende gibt es dann enttäuschte Kinder und rausgeschmissenes Geld. Der Autor zeigt daher in seinem Extra-Kapitel Wege auf, wie man mit relativ geringen Kosten maximalen Erfolg erzielen kann. Natürlich handelt sich bei Urzeitkrebsen um Lebewesen, und eine hundertprozentige Erfolgsgarantie kann keiner geben, aber auch hier vermag ich zu bestätigen, dass der Autor eindeutig Erfahrung hat.
Alles in allem handelt es sich beim hier besprochenen Band der Entdecke-Reihe um ein – nicht nur für Kinder! – sehr empfehlenswertes Buch, das seinen Preis mehr als wert ist. Selbst jemand, der sich schon länger mit Urzeitkrebsen beschäftigt, wird hier einiges Neues entdecken!
Jan Venzlaff
Zeit für Narrative
Honigs, Sandra, Meßing, Marc & Pelzer, Beate (2022): 111 Amphibien, die täglich unsere Welt verbessern. – Emons Verlag, Köln, 240 S., Broschur; ISBN 978-3-7408-1274-4; 18,00 € (D), 18,60 € (A)
Wie bringt man der Allgemeinheit, die hinsichtlich naturwissenschaftlicher Themen vielleicht unbedarft ist, Aspekte wie Artenvielfalt oder deren Schutz nahe? Ein mittlerweile öfters gewählter Ansatz sind kurze Erzählungen, die möglichst im Gedächtnis bleiben sollen. Eben diesen Versuch unternehmen die Autoren mit ihren 111 Amphibien – alle mit Text und Bild vorgestellt –, und er gelingt ihnen gut.
Nun mag man bei manchen (verkaufsstrategisch gewählten) Buchtiteln geteilter Meinung sein, die vorgestellten Amphibien müssen auch gar nicht unsere Welt jeden Tag besser machen – es ist erst einmal schön, dass es sie überhaupt gibt. Manche waren bzw. sind dann der Menschheit tatsächlich noch auf die eine oder andere Art von Nutzen, und alle erfüllen sie sowieso ihre Funktionen in dem Ökosystem, in dem sie (natürlicherweise) vorkommen. Einige Spezies sind auch gewissermaßen Fluch und Segen zugleich – Beispiel Krallenfrosch, aber daraus macht das Buch keinen Hehl. Es liefert in kurzweiliger Sprache eben die Informationen, welche die jeweilige Art von den anderen abheben.
Interessant ist die Artenauswahl: Neben solchen, die zumindest Terrarianern geläufig sind, finden sich auch echte Seltenheiten, etwa Ansonia latidisca oder Andinobates dorisswansonae. 111 Arten (bzw. 110, denn zwischendurch hat man sich einen Spaß erlaubt) sind eine ganze Menge. Wer gründlich liest, wird sich aber an die eine oder andere Erzählung erinnern.
Übrigens: Wie viele Amphibienarten es weltweit gibt, wird vielleicht allgemein unterschätzt. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen (Oktober 2022) waren es bereits über 8.500. Für manche davon dürfte es bald keine weiteren Narrative mehr geben, denn sie werden weitgehend unbeachtet verschwinden.
Sebastian Wolf