Buchbesprechungen
Wenn die Trockenzeit kommt
Nibia Berois, Graciela García & Rafael O De Sá (2020): Annual Fishes: Life History Strategy, Diversity, and Evolution. – CRC Press, Boca Raton, 343 S.; ISBN 978-0367575311; 53,60 € (Taschenbuch)
Annuelle Killifische besetzen in der Aquaristik eine kleine Nische: Bedingt durch die kurze Lebensspanne muss man sich aktiv um ihre Erhaltung durch Nachzucht bemühen, diverses Lebendfutter bereithalten und sich ansonsten in Geduld üben, bis der ersehnte Nachwuchs schlüpft. „Killianer“ brauchen Torf, Taschenlampe, Mückenlarven und Ausdauer – das liegt vergleichsweise wenigen Aquarienfischfreunden.
Ganz anders in der Forschung: Hier bringt man den kurzlebigen Cyprinodontiformen Amerikas und Afrikas schon länger intensive Beachtung auf ökologischer, physiologischer und zellulärer Ebene entgegen. Von großem Interesse ist etwa die Frage, was in einem Wirbeltier-Organismus abläuft, der innerhalb weniger Monate dem sicheren Tod durch Entzug (Austrocknen) seines Lebensraumes entgegensieht und dementsprechend seine Individualentwicklung im Eiltempo vollziehen muss, um rechtzeitig fortpflanzungsfähig zu werden.
Das vorliegende Buch hat die Erkenntnisse unzähliger Jahre Forschungsarbeit und vieler Autorinnen und Autoren gebündelt, die vor allem aus Nord- und Lateinamerika stammen. Auch wenn es sich um ein akademisches Werk handelt, ist es äußerst empfehlenswert für Aquarianer, die mehr wissen wollen als das, was in populärwissenschaftlichen Publikationen zumeist geschrieben steht. Besonders schön: Es finden sich Kapitel, die durchaus Praktisches für Aquarianer bieten, etwa Nr. 5 (Sex Determination and Differentiation in Annual Fishes), 7 (Husbandry, Reproduction, and Embryo Culture of Annual Fishes under Laboratory Conditions) und 10 (Tolerance of Environmental Stress).
Eindrucksvoll zu sehen, welches Wissen zu Nothobranchius, Austrolebias und anderen Kleinoden mittlerweile vorhanden ist. Im Hobby mögen es bunte Fischlein mit speziellen Ansprüchen sein, ihre wirkliche Bedeutung liegt jedoch ganz woanders. Wer sich für einen aktuellen Kenntnisstand der Annuellen und ihre Rolle als Modellorganismus interessiert, sollte dieses Buch zur Hand nehmen.
Sebastian Wolf
Wasserwelten – bunt gemischt
Anonymus (2023): Unter Wasser - Entdecken Verstehen Mitmachen. – Bohem Press, 72 S.; ab 5 Jahren; Steifbroschur mit Metallicfolienprägung und offener Fadenheftung; ISBN 978-3-95939-219-8; 17,95 € (D); 18,50 € (A); 24,50* SFr
Bücher „für Klein und Groß“ bringen idealerweise nicht nur Kindern etwas bei, sondern auch Erwachsenen – natürlich ohne dass Letztere zuzugeben brauchen, dass sie Aufholbedarf haben, denn man hat das Buch ja für den Nachwuchs angeschafft. Die Wasserwelten im vorliegenden Werk werden unkonventionell präsentiert, angefangen bei der Aufmachung: Der stabile Karton beider Buchdeckel ist knapp so dick wie alle Seiten zusammen. Das Layout der Seiten ist überaus divers, von Fotos über comicartige Bilder bis zu (an historische Abbildungen erinnernde) Farbtafeln von Tieren. Nachdem man sich damit vertraut gemacht hat, ist das aber insgesamt ganz nett. Ein meines Erachtens gestalterischer Fehlgriff findet sich nur auf einer Seite – in einen blauen Hintergrund einkopierte Fotos typischer „Korallenfische“ haben etwas von einem Bildschirmschoner aus den Neunzigern.
Inhaltlich ist „Unter Wasser“ breit aufgestellt, thematisch springt das Buch hin und her, zwischen Tiergruppen, Lebensräumen und anderem, das ist für die gereiftere Leserschaft vermutlich gewöhnungsbedürftiger als für Kinder, die sind flexibler im Nutzungsverhalten. Es darf jedenfalls nicht nur gelesen, sondern auch gerätselt, gemalt sowie gegrübelt werden.
Ein kleiner Einschub über Aquarien findet sich ebenfalls, wobei der Tenor hier ist: „Ein Aquarium? Ganz schön schwierig.“ Als Aquarianer wünscht man sich natürlich immer, dass auch thematisch ganz weit ausgelegte Bücher etwas Werbung für die Welt hinter Glas betreiben bzw. zumindest die Neugier wecken. Davon abgesehen behandelt das Buch die für Groß wie Klein meist verborgen bleibende und geheimnisvoll erscheinende Welt unter Wasser in ungewohnter, aber sicher lehrreicher Weise.
Sebastian Wolf
Die komplizierten Fadenfische
Schäfer, Frank (2023): Aqualog News Bookazine No. 13; 140 S.; ISBN 978-3-939759-49-2; 14,90 €
Es ist endlich da, das Bookazine Nr. 13. Laut Editorial von Frank Schäfer ist es die letzte Ausgabe, die regulär erscheint. Später soll die Reihe nur noch sporadisch veröffentlicht werden. Von Liebhaberstücken ist die Rede.
Hauptthema sind die beliebten, aber taxonomisch und systematisch nicht einfachen Fadenfische. Im ersten Artikel geht es um deren Namen. Schäfer versucht mithilfe umfangreicher Recherchen herauszufinden, wie die Fadenfische korrekt heißen, d. h. benannt werden können. Er sucht in ichthyologischen Sammlungen und in alter Literatur nach Hinweisen. Daraus ist eine umfangreiche Arbeit geworden.
Der zweite Beitrag handelt von den dicklippigen Fadenfischen. Den Leserinnen und Lesern werden die Fundorte der Colisa-Arten aus Myanmar und den angrenzenden Staaten vorgestellt. Dazu gibt es viele historische Zeichnungen und Fotos der einzelnen Colisa-Arten. Die letzten Seiten, die für die Haltung und Pflege im Aquarium interessant sind, haben mir am besten gefallen.
Der dritte Artikel beschäftigt sich mit dem Thema „Aussterben der Europäischen Flusskrebse“. Das empfand ich als unübersichtlich zu lesen, da zwischen dem eigentlichen Fließtext verschiedene Krebse beschrieben werden. Für den Leser wäre es besser, wenn diese Porträts gemeinsam am Ende des Beitrags stehen würden. Im Anschluss ist ein „Diskurs über den Krebspest-Erreger“ angefügt.
In der Summe: Es ist ein Bookazine, das ich gerne ins Bücherregal stelle.
Elfriede Ehlers
Des Aquarianers wichtigste Ressource
Krause, Hanns-J., Bernd Kaufmann (2023): Handbuch Aquarienwasser – Wasseranalyse und Wasseraufbereitung. – Ulmer Verlag, 7. aktualisierte Auflage; ISBN 9783818616328, 166 S.; 25,00 E
Im bede-Verlag erschien 1990 das „Handbuch Aquarienwasser“ von Hanns-J. Krause. Sicher haben es viele Aquarianerinnen und Aquarianer im Lauf der Jahrzehnte gelesen. Nun erschien im Ulmer-Verlag die 7. aktualisierte und überarbeitete Auflage. Bernd Kaufmann hat das Werk gründlich überarbeitet und das neue Kapitel „Algen“ hinzugefügt. Die Grundlagen zur Wasserchemie sind gut verständlich beschrieben. Die Leser erfahren, wie die einzelnen Parameter getestet und gegebenenfalls verändert werden können. Der Umgang mit den benötigten Chemikalien wird genau erklärt.
Naturnahe Methoden der Wasseraufbereitung fehlen ebenfalls nicht, etwa die Torffilterung. Genannt werden auch nachhaltigere Alternativen, die das Wasser mit Huminsäuren anreichern können, wie z. B. Seemandelbaumblätter, Erlenzäpfchen und das getrocknete Laub einiger heimischer Laubbäume. Immer wieder wird darauf hingewiesen, wie wichtig ein Wasserwechsel im Aquarium ist. Das Wasser, das aus der Leitung kommt, ist grundsätzlich von guter Qualität. Im Bedarfsfall muss es eben aufbereitet werden. Auch hierzu gibt es viele Informationen. Algen im Aquarium kennt jeder und wir sollten das Kapitel aufmerksam lesen. Mithilfe der Empfehlungen von Bernd Kaufmann werden sie nicht zur Plage.
An den Seitenrändern finden sich Tipps und kleine Blöcke mit der Überschrift „Gut zu wissen“. In den Buchklappen stehen weitere nützliche Hinweise – eben so, wie Praxisnähe heute präsentiert wird. Das „Handbuch Aquarienwasser“ ist in dieser überarbeiteten Form überaus lesenswert und gut verständlich geschrieben. Bilder und Grafiken helfen dabei. Ich habe einige neue Informationen zum Umgang mit Aquarienwasser bekommen.
Elfriede Ehlers
Innenansichten
Klinkhardt, Manfred (2022): Fische Anatomie Physiologie Lebensweise. – Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 388 S, 364 farbige Abbildungen; ISBN 978-3-510-65543-4; 54,90 €
Spickt man hier und da in ältere Lehrbücher, hinterlassen diese häufig den Eindruck, dass Lernen und Verstehen offenbar wenig Freude bereiten dürfen. Getreu dem Motto: je komplexer das Thema, umso anstrengender für die Lesenden. Menschen mit naturwissenschaftlichem Studium in ihrer Biografie haben darum sicher oftmals noch ihren eigenen, papiergewordenen Alptraum im Kopf. Gut, dass sich Zeiten ändern, und noch besser, dass sich umfassende Zusammenhänge auch dem neugierigen Laien vermitteln lassen – es kommt zum großen Teil vor allem auf die Sprache und die Präsentation an. Dem vorliegenden Werk gelingt der Spagat zwischen Verständlichkeit und exakter Wissensvermittlung, was gerade deswegen bemerkenswert ist, da es laut Autor geschrieben wurde für „alle Leser, die sich im weitesten Sinne für Fische interessieren“. Aquarianer sind da ebenfalls eingeschlossen!
Der Aufbau ist klassisch – zuerst Einleitung, dann Untergliederung in Kapitel und Unterkapitel je nach Strukturen, Organen und Funktionen des Fischkörpers, abschließend stehen die Verzeichnisse (Literatur, Stichworte und Namen). Die Sprache ist angemessen sachlich, aber nie dröge, und sie bringt den Inhalt „auf den Punkt“. Laien (im Sinne von allen, die sich nicht wissenschaftlich mit Fischbiologie, -anatomie und -physiologie beschäftigen) dürften grundsätzlich hervorragend bedient werden. Viele der Abbildungen zeigen Aquarienfische, das hat definitiv seinen eigenen Reiz, besonders für den Teil der Leserschaft, der selbst Tierhalter ist. Farblich abgesetzte Boxen zu Wissenswertem und Kuriosem runden den Gesamteindruck ab – dass derartige gestalterischen Kniffe nicht bloß dazu dienen, das Gehirn des modernen Menschen bei Laune zu halten, wird nach der Lektüre klar.
Manche Bücher schlägt man auf und merkt bereits wenige Minuten nach dem Durchblättern: Volltreffer. Klinkhardt‘s „Fische“ ist ein solcher. Aquarianer, deren Interesse über ästhetische Betrachtungen, trendige Technik oder teure Neuimporte hinausgeht, und die wissen möchten, wie ihre Pfleglinge „funktionieren“, brauchen die richtige, sprich bezahl- und bedienbare Lektüre – hier ist sie.
Sebastian Wolf