Buchbesprechungen
Wahre Monster – ein unglaubliches Bestiarium
Von Caspar Henderson und Judith Schalansky (Hg.), übersetzt von Daniel Fastner. 352 Seiten, Softcover (Leinenband), mit Illustrationen von Pauline Altmann. Matthes & Seitz, Berlin, 2014. ISBN 978-3-95757-030-7. € 38 (zurzeit wohl nur als E-Book erhältlich)
Für gestandene Aquarianer, Naturliebhaber, Biologen und andere, die nicht nur an der Natur interessiert sind, sondern sich auch mit ihr beschäftigen, wird dieses Buch vermutlich keine große Strahlkraft entfalten. Denn welcher Vivarianer wird den Axolotl als Monster verstehen oder eine bizarre Echse oder einen wunderschönen Tiefsee-Tintenfisch? Ganz im Gegenteil, wir finden diese Tiere faszinierend.
Landflucht der Wildtiere
Wie Wildschwein, Waschbär, Wolf und Co. unsere Städte erobern
Von Sebastian Lotzkat. 304 Seiten, 56 Fotos. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2016. ISBN 978-3-499-63166-5. 10,99 €
Ein handliches Taschenbuch, mit über 300 Seiten nicht ganz dünn, aber mit geballtem Wissen, so kurz und knapp lässt sich das vorliegende Werk beschreiben. Doch das wird dem DATZ-Leser nicht genügen, und so werde ich selbstverständlich ein wenig in die Tiefe gehen. Bereits auf den ersten Seiten merkt der geneigte Leser, dass Lotzkat nicht nur promovierter Biologe ist, sondern vielmehr ein Amateur im besten Sinne (lat. amator = „Liebhaber“) – er ist ein echter Naturliebhaber, der eben seine Passion zur Profession gemacht hat und mit der Feder eines Gelehrten und eines Liebhabers zugleich schreiben kann. Das ist eine hohe Kunst, denn dieses Buch ist eines, das nicht nur den Leser anspricht, der einmal ein Wildschwein in seinem Kartoffelbeet beobachtet hat, einen Waschbären auf dem Dachboden erlebt hat oder der im Stadtpark Enten, Möwen und Tauben füttert, sondern das auch den bereits erfahrenen Naturfreund oder gar den studierten Naturwissenschaftler zu erreichen vermag.
Endspiel – Wie wir das Schicksal der tropischen Regenwälder noch wenden können
Von Claude Martin. 352 Seiten, viele farbige und SW-Abbildungen, Hardcover. Oekom Verlag, München, 2015. ISBN 978-3-86581-708-2. 22,95 €
Im Jahr 1972 erschien der erste Bericht an den „Club of Rome“, einen weltweiten Zusammenschluss von Umweltexpertinnen und -experten. Er trug den Titel: „Die Grenzen des Wachstums.“ Der Autor – Dennis Meadows – beschrieb darin erstmals die übermäßige Ausbeutung unseres Planeten. Nun legte einer der früheren Generaldirektoren des WWF (World Wide Fund For Nature) den 34. Bericht an den Club of Rome vor. Claude Martin schildert in diesem Werk den derzeitigen Zustand der tropischen Regenwälder der Erde und die Zukunftschancen dieser global bedrohten Ökosysteme. Der Münchener Oekom Verlag brachte das Buch in deutscher Übersetzung auf den Markt und setzt dabei wieder einmal Akzente als deutscher Verlag mit deutlichstem Umweltprofil. In neun Kapiteln findet sich alles, was man zurzeit über den Zustand der Regenwälder wissen kann – und vor allem eine passgenaue Agenda, um die noch vorhandenen Flächen unter Einbeziehung wirtschaftlicher Interessen für die zukünftigen Generationen zu erhalten.
Reptilien und Amphibien Europas
Von Axel Kwet. 352 Seiten, 325 Farbfotos, 155 Karten, fünf Zeichnungen, 14 QR-Codes, Breitklappen-Broschur mit ausklappbaren Umschlagseiten. Franckh-Kosmos Verlags- GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2015. ISBN 978-3-440-14619-4. 29,99 €
Axel Kwet behandelt in 155 Steckbriefen mit ebenso vielen Karten sämtliche Lurche und Kriechtiere Europas. Als Grenze zwischen Europa und Asien zieht er eine gedachte Linie, die „vom Nordkap etwa entlang des 30. Längengrades über die Karpaten und Rhodopen bis zum Schwarzen Meer und dann über das Donaudelta zum Ägäischen Meer und weiter nach Süden entlang der kleinasiatischen Küste verläuft“. Dabei rechnet Kwet direkt vor dem kleinasiatischen Festland gelegene Inseln wie Rhodos, Kos, Samos, Lesbos oder Chios, die geografisch ja zu Asien gehören, zu Europa. „Nicht berücksichtigt sind […] Arten, die ausschließlich in Kleinasien, im Kaukasus oder auf den zu Afrika zählenden Inseln wie Madeira, die Kanaren, die Azoren und die Selvagem-Inselgruppe vorkommen“ (Seiten 12, 13). In einigen Steckbriefen sind weitere, mit den explizit vorgestellten Arten nahverwandte Spezies, die aus neueren Revisionen oder aktuelleren genetischen Untersuchungen „hervorgegangen“ sind, abgehandelt oder zumindest erwähnt, etwa beim Laubfrosch (Hyla arborea) die Taxa H. molleri und H. orientalis oder bei der Blindschleiche (Anguis fragilis) die Taxa A. cephallonica, A. colchica incerta, A. c. orientalis, A. veronensis und A. graeca, woraus sich die in den Titeln genannten Artenzahlen ergeben – wenn auch nicht ganz eindeutig: Ist auf dem Cover von „214 Arten mit Verbreitungskarten“ die Rede, heißt es im Haupttitel (Seite 3): „250 Arten mit Verbreitungskarten“. Nach Titelei und Inhalt liefert der Autor ab Seite 8 einige grundlegende Informationen über Amphibien und Reptilien in Europa, umreißt das behandelte Verbreitungsgebiet (siehe oben), streift die Artenvielfalt der europäischen Herpetofauna (214 Spezies für die bearbeitete Region), erörtert auf gut zwei Seiten (14 bis 16) taxonomische Probleme und Entwicklungen (Artabgrenzungen, Artaufspaltungen, Neubeschreibungen) und diskutiert Gefährdung sowie Schutzmaßnahmen (Seiten 16 bis 19).
Der Fisch, der zu den Sternen schwimmen wollte
Eine Erzählung von Ahn Do-Hyun. Aus dem Koreanischen von Hyuk-Sook Kim und Manfred Selzer. 96 Seiten. Illustrationen von Dieter Braun, gebunden. Insel Verlag, Berlin. ISBN 9783458176756. 14 €
Was für ein kleines, bezauberndes Buch! „Die aufgehende Sonne am Horizont taucht das Meer in ein leuchtendes Orange.“ Verzaubernde Atmosphäre von der ersten Seite an. Entführt wird der Leser in die Welt unter Wasser, die Welt der Fische und weiteren Meeresbewohner, des Lebens und Überlebens unter der Wasseroberfläche, er taucht mit ein in die Welt der Lachse. Silberlachs ist ein ganz besonderes Exemplar im großen, riesigen Schwarm, der stromaufwärts zum Laichen zieht. „Warum darf ein Lachs nur im Wasser leben?“, fragt er sich, möchte frei sein, seinesgleichen und deren strenge Regeln und Verbote hinter sich lassen. Er schwimmt abseits des Schwarms, schaut aus dem Wasser, sieht Regenbogen und buntes Herbstlaub und atemberaubende Sterne bei Nacht – und bringt sich dabei in große Gefahr. „Es gibt Momente, in denen mir das Wasser wie ein Gefängnis vorkommt!“ Dann aber lernt er Klarauge kennen, ein Lachsweibchen, das den „Außenseiter“ schon eine Weile beobachtet und ihn im letzten Moment vor der tödlichen Bärentatze rettet. „Wenn man mit dem Herzen sieht, ist die ganze Welt wunderschön“, bringt sie ihm bei und nicht nur das. Ja, natürlich, schnell kommt da die Assoziation zu dem Buch „Der kleine Prinz“, wo bekanntlich auch die Rede davon ist, dass man nur mit dem Herzen gut sieht. Oder an die weltberühmte „Möwe Jonathan“ denkt man, die sich ebenfalls den Regeln ihrer eigenen Art nicht so recht unterordnen kann, eigene Freiheiten auslotet, gegen Gesetze verstößt. Um eine dieser wunderbaren Geschichten handelt es sich hier, einfühlsam illustriert von Dieter Braun, geschrieben mit viel Herz – und doppeltem Boden. Der Koreaner Ahn Do- Hyun hat für seine Lyrik Preise bekommen, dieses bemerkenswerte kleine Fabel- Büchlein ist in sieben Ländern erschienen und hat „Millionen verzaubert“. Voller Fantasie, Farben, Gleichnissen erzählt der Koreaner in Bildern, malt Situationen und Begegnungen mit Worten einfühlsam und zart, pastellfarben und vorsich- tig, unterstreicht damit, wie leicht verletzlich die Welt unter Wasser tatsächlich ist, nicht nur in einer Fabel. Es sind die Fragen des Lebens, die er in dieser Geschichte um Silberlachs und Klarauge liebevoll verpackt, auf eine Art, die Jung und Alt gleichermaßen bewegt und berührt: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Warum leben wir? Wo liegt der Sinn des Lebens? Ein bisschen Philosophie, ein bisschen Fantasie und ganz viel Staunen. „Im weiten Universum ist jeder nur ein kleiner Fisch – und doch ist jedes Leben einzigartig und wunderbar.“ Barbara Wegmann