Rössels Recht
Dietrich Rössel arbeitet nach über 20 Jahren als Rechtsanwalt in einer Naturschutzbehörde und stellt uns regelmäßig die neuesten Rechtsfragen rund um das Tier vor.
Wieder einmal: Mietrecht
Mit Beschluss vom 30.01.2018 (Az.: VIII ZB 57/16) hat sich der Bundesgerichtshof mit der Problematik befasst, ob ein Rechtsstreit um die Genehmigung der Heimtierhaltung in einer Mietwohnung berufungsfähig ist. Die Antwort ist, wie so oft: „Es kommt darauf an ...“
In der ersten Instanz ist für Streitigkeiten aus einem Wohnungsmietverhältnis stets das Amtsgericht zuständig, unabhängig vom Streitwert. Eine Berufung gegen Urteile eines Amtsgerichts ist nach § 511 Absatz 2 ZPO nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt.
Ob die Berufung gegen ein solches Urteil, das sich mit der Zulässigkeit der Tierhaltung in einer Mietwohnung befasst, zulässig ist, ist nach Auffassung des BGH eine Frage des Einzelfalles.
Der BGH hatte sich mit dem Fall von bereits älteren Mietern zu befassen, die seit mehr als 40 Jahren Hunde in der Wohnung hielten und denen nach dem Tod ihres Hundes die Haltung eines neuen Hundes vom Vermieter verweigert wurde.
Während das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht den Streitwert für die Genehmigung der Tierhaltung noch auf € 1.200 festgelegt hatte – damit war das Urteil berufungsfähig –, reduzierte das Berufungsgericht den Streitwert auf nur € 400 und wies die Berufung der Tierhalter, die in der ersten Instanz die Genehmigung zur Tierhaltung nicht erreichen konnten, als unzulässig ab, da der Gegenstandswert für die Zulassung der Berufung nicht erreicht sei.
Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben und den Gegenstandswert auf über € 600 festgesetzt. Das Gericht stellte fest, dass das Interesse eines Mieters an der Tierhaltung grundsätzlich einzelfallbezogen zu bewerten sei. Ein Regelwert könne nicht generell festgelegt werden; das auf die Tierhaltung gerichtete Interesse des Mieters sei individuell zu bewerten. So sei beispielsweise das Alter des Mieters zu berücksichtigen sowie das Gewicht seiner Bedürfnisse und Beweggründe für die Tierhaltung.
Im vorliegenden Fall – es ging wie gesagt um betagte Mieter, die jahrzehntelang Hunde gehalten hatten und sogar eine ärztliche Bescheinigung dahingehend vorlegen konnten, dass die Hundehaltung für ihr psychisches Wohlbefinden von erheblicher Bedeutung sei – rügte der BGH daher die zu niedrige Festsetzung des Gegenstandswertes durch das Berufungsgericht. So erhielten die klagenden Mieter Gelegenheit, die Zulässigkeit ihrer Tierhaltung nochmals vor dem Landgericht überprüfen zu lassen.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Nachbarschaftliche Rücksichtnahme
Der Bundesgerichtshof (Az.: V ZR 121/19, Urteil vom 27.11.2020) hatte sich mit einer lärmintensiven Tierhaltung auseinanderzusetzen.
Die Tierstallung war ohne Baugenehmigung und direkt an der Grenze zum Nachbargrundstück errichtet worden. Der Versuch, nachträglich eine Baugenehmigung zu erhalten, scheiterte, zunächst vor der Baubehörde, dann auch vor dem Verwaltungsgericht: Dieses vertrat die Auffassung, dass die Stallung unter Missachtung des gegenüber den Nachbarn bestehenden Rücksichtnahmegebotes errichtet worden sei.
Die Nachbarin ging nun gegen die Pferdehaltung zivilrechtlich vor. Im Ergebnis hielt der Bundesgerichtshof fest, dass die Nachbarin gemäß § 1004 BGB einen Unterlassungsanspruch dahingehend habe, dass überhaupt keine Pferde mehr in der illegalen Stallung gehalten werden. Der Unterlassungsanspruch, so der BGH, sei schon aufgrund der Verletzung der nachbarschützenden baurechtlichen Vorschriften gegeben.
Während das Gericht der Vorinstanz noch davon ausgegangen war, dass die Tierhaltung nur insoweit zu unterlassen sei, als die Immissionsrichtwerte nach der jeweilig gültigen TA Lärm nicht überschritten würden, bejahte der BGH also den vollständigen Unterlassungsanspruch der Nachbarn bezüglich jeglicher Pferdehaltung aufgrund der Verletzung des nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebotes.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Wildtiere und Verkehrssicherungspflicht
Die Verantwortlichen für öffentlich zugängliche Wege und Plätze – also insbesondere Städte, Gemeinden und Landkreise – sind dafür verantwortlich, dass Nutzer sich nach Möglichkeit nicht verletzen. Auch die Anwesenheit von Wildtieren kann dazu führen, dass die verantwortliche Stelle Verkehrssicherungspflichten hat.
Dass diese Pflicht nicht unbegrenzt weit geht, zeigt ein Urteil des OLG Nürnberg (4 W 362/21): Hier scheiterte ein Versuch, von der beklagten Stadt Schmerzensgeld zu erhalten. Die Klägerin hatte sich beim Sturz in ein Biberloch nicht unerheblich verletzt. Sie war der Auffassung, die Stadt sei hierfür verantwortlich, da die notwendigen Schutzmaßnahmen, wie etwa ein Hinweis auf das Loch oder Absicherungsmaßnahmen, nicht ergriffen worden seien.
Hiermit blieb sie durch zwei Instanzen erfolglos: Die beklagte Stadt, die Warnschilder aufgestellt hatte, hätte nach Ansicht des Gerichts keine weitergehenden Maßnahmen treffen müssen. Das Risiko beim Betreten der freien Natur liegt bei dem Betretenden. Im Übrigen sei die Biberpopulation allgemein bekannt, und es seien Schilder aufgestellt. Zudem seien auch Fraßspuren an den Bäumen allgemein sichtbar. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege somit nicht vor.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt ein Urteil des LG Stuttgart (Az.: 15 O 358/04): Bei der beklagten Gemeinde war bekannt, dass ein Schwan, der an einem öffentlich zugänglichen See lebte, ungewöhnlich häufig Menschen angriff. Deshalb hatte die beklagte Gemeinde auch Schilder aufgestellt, die vor dem bissigen Schwan warnten. Allerdings war der später verletzte Kläger auf einem Weg an den See gelangt, auf dem keine Warnschilder standen. Er wurde von dem Schwan angegriffen und verletzt, die Gemeinde musste ihm aufgrund der Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht Schmerzensgeld zahlen. Das Gericht hielt ausdrücklich fest, dass es ausreichend sei, an allen (!) infrage kommenden Wegen Warnschilder aufzustellen. Weitere Maßnahmen, wie z. B. die Umsiedelung des aggressiven Tiers, könnten nicht verlangt werden.
Für derartige Klagen – Grundlage ist die Amtshaftung nach § 839 BGB – ist grundsätzlich auch bei einem niedrigen Streitwert das Landgericht zuständig, es besteht Anwaltszwang.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Tierhaltung im Strafvollzug
Ein Sicherheitsverwahrter, der seine Freiheitsstrafe also bereits verbüßt hatte, aber aufgrund seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit anschließend nicht freigelassen werden durfte, hatte die Haltung eines Kleintiers in der Sicherheitsverwahrung beantragt, was zunächst abgelehnt worden war. Die Behörde hatte dies u. a. mit dem Risiko begründet, dass Tiere Krankheiten übertragen oder Allergien auslösen könnten. Auch sei der Schutz des Tieres nicht ausreichend gewährleistet und das Tiergehege könne als Versteck für verbotene Gegenstände geeignet sein.
Hiergegen wehrte sich der Antragsteller vor Gericht und bekam vom Landgericht Regensburg (Az. SR StVK 654/19) Recht. Ihm wurde die Haltung eines Wellensittichs* gestattet, der vorher auf die üblichen Krankheiten negativ getestet worden war. Ein Sicherungsverwahrter habe das Recht, sein Zimmer individuell und wohnlich auszustatten, dazu gehöre auch, ein Kleintier zu halten, soweit das Zimmer dadurch nicht überfrachtet werde. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit in der Anstalt liege nicht vor, und die Haltung eines Tieres sei gerade bei langfristig Gefangenen oder Sicherungsverwahrten sinnvoll. Die von der Behörde zugrunde gelegten Gefahren für die Gesundheit der Menschen wurden als „geradezu abwegig“ bezeichnet. Auch wenn im Einzelfall, gerade im Strafvollzug und nicht in der Sicherungsverwahrung, aufgrund der beengteren Verhältnisse die Tierhaltung nicht zugelassen worden sei, so seien im Rahmen der Sicherungsverwahrung andere, großzügigere Maßstäbe zu Gunsten des Verwahrten anzuwenden. Wenn ein Wellensittich auf Krankheiten negativ getestet sei, könne nicht von Ansteckungsgefahren für Dritte ausgegangen werden, und das Risiko einer Allergie sei eine fernliegende Gefahr von niedriger Intensität.
Ein Vergleich mit den Bedingungen im eigentlichen Strafvollzug, in dem die Tierhaltung eher verboten werden könne, verbiete sich im Übrigen. Auch sei nicht davon auszugehen, dass durch die Haltung eines Wellensittichs im Vergleich zu sonstigen rechtmäßigen Ausstattungen des Zimmers mehr Versteckmöglichkeiten geschaffen würden. Ebenso seien unter Tierschutz- und Hygienegesichtspunkten keine durchgreifenden Bedenken festzustellen. Insbesondere sei nicht zu erwarten, dass der Antragsteller das Tier tierschutzwidrig halten werde. Sollte das doch der Fall sein, könne durch die Behörde jederzeit das Veterinäramt eingeschaltet werden.
Das OLG Hamburg (Az. 5 Ws 42/19) hat sogar die Haltung einer Katze durch einen Sicherungsverwahrten im Einzelfall als rechtlich denkbar eingestuft.
RA Dietrich Rössel, Königstein
* Anmerkung der Redaktion:
Fraglich ist – auch wenn dies für das Gericht interessanterweise belanglos war –, ob die Haltung eines einzelnen Wellensittichs angebracht und tiergerecht ist. Das hätte man eventuell gleich mit klären können, als man gerichtlich zugange war …
(Heim-)Tierzucht und Umsatzsteuer
Das Finanzgericht Münster (Az. 5 K 3037/19 U) hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Umständen die Zucht von Heimtieren – hier ging es konkret um eine Hundezüchterin – als umsatzsteuerpflichtiges Unternehmen einzustufen ist. Die Hundezüchterin hatte Erlöse erzielt, die oberhalb der Kleinunternehmergrenze lagen. Diese Grenze ist in § 19 UStG geregelt: Wer im letzten Kalenderjahr einen Bruttoumsatz von nicht mehr als 22.000 Euro hatte und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 Euro erzielen wird, zählt als Kleinunternehmer und ist nicht umsatzsteuerpflichtig.
Die Züchterin wandte sich gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer: Sie habe aufgrund der strengen Regularien ihres Verbandes derartig hohe Kosten, dass die Hundezucht steuerlich nur eine Liebhaberei sei. Insbesondere trete sie nicht wie eine Händlerin auf, sondern betreibe die Hundezucht nur aus Liebhaberei mit entsprechend hohem Aufwand.
Hiermit blieb sie jedoch erfolglos. Das Gericht behandelte sie als Unternehmerin, sodass ihre Umsätze aus der Hundezucht der Umsatzsteuer zu unterwerfen waren. Die Hundezucht der Klägerin sei nicht lediglich eine „private Vermögensverwaltung“, sondern eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne des § 2 UStG. Hierbei sei auch ihre mehrjährige und damit nachhaltige Tätigkeit zu berücksichtigen, nicht aber der hohe Aufwand und das Betreiben der Hundezucht in ihrem Privathaushalt. Ebenso müsse Berücksichtigung finden, dass sie nach außen werbend als Züchterin auftrat. Entscheidend sei nicht der finanzielle Gesamterfolg, sondern der Umsatz.
RA Dietrich Rössel, Königstein