Rössels Recht
Dietrich Rössel arbeitet nach über 20 Jahren als Rechtsanwalt in einer Naturschutzbehörde und stellt uns regelmäßig die neuesten Rechtsfragen rund um das Tier vor.
Wieder einmal: Die rechtswidrige Herkunft artengeschützter Tiere schlägt über die Generationen durch!
Mit Urteil vom 08.09.2022 (Az.: C 659/20) hat der EuGH die bisherige Linie der Rechtsprechung zur Beweislastumkehr im Artenschutzrecht bestätigt.
Der in einem EU-Staat ansässige Züchter einer streng geschützten Tierart – konkret ging es um Aras – hatte Befreiungen vom Vermarktungsverbot für seine Nachzuchttiere beantragt. Deren Großelterntiere waren weit mehr als 20 Jahre zuvor in die EU eingeführt worden, wohl unter Verstoß gegen die Bestimmungen des WA. Die zuständige Behörde verweigerte die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung, da die rechtmäßige Herkunft des „Zuchtstocks“ nicht nachgewiesen sei.
Der Züchter vertrat nun die Auffassung, der Begriff des „Zuchtstockes“ erfasse nur die zur Genehmigung stehenden Tiere sowie deren Eltern. Nachdem das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik diese Rechtsfrage dem EuGH vorgelegt hatte, hielt der EuGH fest, dass Vorfahren der gezüchteten Tiere dann nicht unter den Begriff des „Zuchtstocks“ fallen, wenn sie nie im Eigentum des Züchters bzw. Antragstellers gestanden haben. Wenn aber Vorfahren dieses Zuchtstocks zu einem Zeitpunkt der Natur entnommen wurden, zu dem die Art bereits in Anhang 1 des WA geführt wurde, dann darf nach Auffassung des EuGH ein EU-Mitgliedsstaat keine Ausnahme vom Verkaufsverbot genehmigen. Das Eigentumsrecht, so der EuGH, dürfe Beschränkungen unterworfen werden, wenn der Schutz wildlebender Arten dies rechtfertige. Wenn also Vorfahren des Zuchtstocks von Dritten in einer dem Artenschutzrecht entgegenstehenden Weise erworben wurden, steht dies auch für Generationen später entstandene Nachzuchten einer Ausnahme vom Verkaufsverbot entgegen.
Die Entscheidung zeigt wieder einmal die Notwendigkeit einer lückenlosen Dokumentation der Herkunft geschützter Tiere über Generationen hinweg auf. Wenn hier wirklich Unklarheiten vorliegen, ist allen Haltern seltener Arten die Inanspruchnahme rechtlichen Rates dringend anzuraten. Da die Vorschriften über die Einziehung, also Enteignung, geschützter Tier- und Pflanzenarten die zuständige inländische Behörde jedenfalls in Deutschland nicht zur Einziehung verpflichten, sondern ihnen ein Ermessen einräumen („Kann-Vorschrift“, s. z. B. § 47 BNatSchG), sollte möglichst frühzeitig darauf hingewirkt werden, rechtliche Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass eine weitere Zucht und Verbreitung der Nachzuchttiere in rechtmäßiger Weise erfolgen kann. So kann die Behörde beispielsweise die Alttiere einziehen, sie aber beim Züchter belassen und diesem ein Aneignungsrecht an den Nachzuchten zusprechen. Dieses Ziel zu erreichen, ist oft einfacher als befürchtet. Natürlich muss die zuständige Behörde davon überzeugt sein, dass der Tierhalter selbst um den Artenschutz bemüht ist und dass ihm die Rechtswidrigkeit der Ursprungstiere beim Erwerb seiner eigenen Tiere nicht bekannt war. Denn auch das nicht fahrlässige Handeln, das die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat ausschließt, ändert nichts daran, dass die Verwaltungsbehörde unabhängig hiervon tätig werden kann.
Dietrich Rössel, Königstein
Wieder einmal: Gefährliche Tiere!
Mit Beschluss vom 01.06.2022 (Az.: 10 ZB 22.1014) hat der VGH München sich mit dem „berechtigten Interesse“ als Voraussetzung für die rechtmäßige Haltung gefährlicher Tiere befasst. Die Antragstellerin scheiterte durch zwei Instanzen mit dem Versuch, die Haltung von Servalen genehmigt zu bekommen.
Insbesondere wurde hier das berechtigte Interesse der Antragstellerin an der Haltung der Tiere verneint. Aus der Entscheidung wird deutlich, dass neben artenschutzrechtlichen auch ausbilderische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Interessen ausreichend sein können, um ein berechtigtes Interesse an der Haltung gefährlicher Tiere bejahen zu können. Allein die vage Aussicht, vielleicht irgendwann mit der Nachzucht dieser Tiere trotz der eingeschränkten rechtlichen Möglichkeiten der Haltung Gewinn erzielen zu können, reiche nicht aus. Das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses verliere seine Bedeutung, wenn man jede vage Aussicht auf Gewinn ausreichen lasse.
Die Klägerin hatte darüber hinaus versucht, Fehler in der erstinstanzlichen Entscheidung darauf zu stützen, das Gericht hätte ein Sachverständigengutachten einholen müssen, um die Gefährlichkeit der Tierart zu klären. Auch damit scheiterte sie; insoweit erschien die Liste der Tierarten, die in den mittlerweile 7 Jahre alten Vollzugsbekanntmachungen zu Art. 37 LStVG aufgeführt sind, dem Gericht wohl ausreichend.
Beim Lesen der Entscheidung drängt sich der Eindruck auf, dass der Prozess in der ersten Instanz nicht sehr sorgfältig geführt und insbesondere zur Frage des berechtigten Interesses nicht ausreichend vorgetragen wurde. Solche Versäumnisse lassen sich in der zweiten Instanz in vielen Fällen nicht mehr nachholen! Die gründliche Vorbereitung eines Genehmigungsantrages bzw. des darauf folgenden Verfahrens ist daher unabdingbar.
Bei Tierarten, deren Gefährlichkeit nicht eindeutig ist, erkundigen Sie sich am besten vorab bei Ihrer Genehmigungsbehörde und bitten um verbindliche Auskunft, ob die Tiere als gefährlich – oder aber als genehmigungsfrei – eingestuft werden. Wenn Sie davon ausgehen, dass die Tiere ungefährlich sind, wäre nämlich gegenüber der Behörde u.U. nicht ein Genehmigungsantrag, sondern ein Antrag auf Feststellung der Ungefährlichkeit der Tierart der richtige Weg. Das ist aber alles eine Frage des Einzelfalles.
Dietrich Rössel, Königstein
Erfordernis einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG
Das VG Karlsruhe (Az.: 12 K 2735/16) hat entschieden, dass ein gewerblicher Tierzüchter, der in seinem Heimatland über eine Genehmigung zur gewerblichen Zucht von Wirbeltieren verfügt, auch eine deutsche Erlaubnis nach § 11 TierSchG benötigt, wenn er seine Nachzuchten in Deutschland verkaufen will.
Der Züchter war bereits im Vorfeld des verwaltungsrechtlichen Verfahrens zu einer erheblichen Geldbuße verurteilt worden, weil er seine in Litauen rechtmäßig gezüchteten Tiere ohne die erforderliche Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz in Deutschland verkauft hatte. In der Folge wurde ihm der gewerbsmäßige Handel in Deutschland untersagt; die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Gericht ging von einem gewerbsmäßigen Tierhandel aus und hielt zunächst fest, dass auch eine präventive Untersagung bereits rechtmäßig wäre, wenn davon auszugehen sei, dass jemand ohne Genehmigung mit dem Handel beginnen will und dass dieser Beginn unmittelbar bevorsteht. Die Angabe einer ausländischen Anschrift ändere hieran nichts, da der Kläger in der Vergangenheit in Deutschland Verkaufsaktivitäten betrieben hatte und nach seinen eigenen Angaben die Tiere „weltweit“ verkaufe. Insbesondere komme es dabei weder auf den Wohnsitz des Verkäufers an noch auf den Sitz seines gewerblichen Zuchtbetriebes.
Zwar umfasse eine in Deutschland erteilte Genehmigung zur gewerblichen Zucht auch die Erlaubnis, diese Tiere zu verkaufen; eine ausländische Genehmigung erfülle diese Voraussetzungen jedoch nicht. Daher benötige er in Deutschland eine eigenständige Handelserlaubnis. Weder aus dem Tierschutzgesetz noch aus Unionsrecht ergebe sich, dass eine ausländische Zuchterlaubnis zum Handel mit Tieren in Deutschland berechtigen solle.
Daher sei die Untersagung des Handels rechtmäßig erfolgt; die Behörde habe hier zwar einen Ermessensspielraum (das bedeutet: Sie muss den Handel nicht untersagen, soll das aber im Regelfall tun), hier gebe es aber keine Anhaltspunkte dafür, von der Untersagung ausnahmsweise abzusehen.
Dietrich Rössel, Königstein
Die sofortige Veräußerung von Tieren
Mit Urteil vom 28.10.2020 (Az.: M 23 K 20.4732) hatte das Verwaltungsgericht München sich mit verschiedenen tierschutzrechtlichen Aspekten zu befassen.
Hier ging es zunächst um die Frage, ob die Regelung des § 16a TierSchG es erlaubt, tierschutzwidrig gehaltene Tiere nicht nur wegzunehmen, sondern sie auch sofort und ohne dem bisherigen Eigentümer eine Frist zur Herstellung tierschutzkonformer Zustände zu setzen, zu veräußern. Die sofortige Veräußerung ist dann zulässig, wenn eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich ist oder der bisherige Eigentümer trotz Fristsetzung durch das Veterinäramt keine ordnungsgemäße Haltung sicherstellt.
Allerdings ist eine Fristsetzung dann – ausnahmsweise – nicht notwendig, wenn die Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt, dass ein zeitnahes, ordnungsgemäßes Verhalten des Tierhalters nicht zu erwarten ist. Die mangelnde Sachkunde des Tierhalters oder erhebliches, tierschutzbezogenes Fehlverhalten können bei der Beurteilung herangezogen werden. Auch können das Fehlen jeglicher Einsicht in die Tierschutzwidrigkeit der Tierhaltung und die geäußerte Absicht, an den Bedingungen der Tierhaltung nichts ändern zu wollen, hier eine erhebliche Rolle spielen. Liegen erhebliche Verstöße vor, die jedem sachkundigen Tierhalter ohne weiteres auffallen müssen und die sogar ein Tierhaltungsverbot rechtfertigen könnten, dann muss das Veterinäramt keine Frist setzen, sondern darf weggenommene Tiere sofort notveräußern.
Interessant sind auch die Ausführungen zur artenschutzrechtlichen Zuverlässigkeit: Die Erlaubnis zur Haltung von Tieren, die unter Artenschutz stehen, kann beim Vorliegen erheblicher tierschutzrechtlicher Verstöße – auch wenn diese sich nicht einmal auf das unter Artenschutz stehende Tier beziehen – verweigert werden.
Auch zur Haltung von Fischen und Reptilien wurde Konkretes gesagt: Gefährliche Nitrat- und pH-Werte in einem Aquarium wurden als „Zufügung lang anhaltender Leiden“, eingestuft; das kann in strafrechtlicher Hinsicht durchaus eine Verurteilung nach § 17 TierSchG wegen Tierquälerei nach sich ziehen. Zur Vergesellschaftung ausschließlich männlicher Griechischer Landschildkröten hielt das Gericht, gestützt auf ein tierärztliches Gutachten, fest, dass jedenfalls in einem nicht gut strukturierten Terrarium dadurch erheblicher Stress zwischen den Tieren ausgelöst werde. Auch dies löse lang anhaltende Schmerzen und Leiden i. S. d. § 17 TierSchG aus.
Amüsantes am Rande: Das Gericht entscheidet ausdrücklich über die Wegnahme von „Wirbeltieren und Fischen“. Immerhin wurden die Fische durch diesen Fauxpas rechtlich nicht zu Unrecht schlechter gestellt ...
RA Dietrich Rössel, Königstein
Die Schuldrechtsreform 2022 – Änderungen im Kaufrecht
Das derzeitige Kaufrecht gilt in großen Teilen seit Anfang 2002. Eine Anpassung mit dem Ziel, das Kaufrecht innerhalb der EU zu harmonisieren, trat zu Beginn 2022 des Jahres in Kraft. Für den Kauf von Tieren (wie auch von Sachen) ist zunächst das neue Sachmangelrecht von Bedeutung. Es steht zu erwarten, dass der gewerbliche Verkäufer von Tieren künftig strengeren Haftungsmaßstäben ausgesetzt ist, da es einen neuen, erweiterten Mangelbegriff gibt.
Künftig muss die Kaufsache den objektiven Anforderungen und den subjektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen entsprechen (§ 434 BGB). Die „objektiven Anforderungen“ sind weiterhin die Eigenschaften, „die bei Sachen derselben Art üblich sind und vom Verkäufer erwartet werden können“. Ferner muss die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignen. Die „subjektiven Anforderungen“ sind die vereinbarte Beschaffenheit und die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung. Ferner ist die Kaufsache mit Verpackung, Anleitung und Zubehör zu übergeben („objektiv“: dasjenige, was erwartet werden kann – „subjektiv“: was vereinbart wurde). Diese Regelungen gelten für jeden Kauf, nicht nur für den Verbrauchsgüterkauf vom gewerblichen Verkäufer an den privaten Käufer.
Hier stellt sich die Frage, welche „Anleitungen“ (Pflegeanleitung? – In welcher Ausführlichkeit gerade bei pflegeintensiven Tieren?) einem Tier mitgegeben werden müssen, damit es überhaupt als mangelfrei gelten kann. Was bisher schon tierschutzrechtlich vorgegeben war, könnte also nun auch eine Voraussetzung für die Mangelfreiheit eines Tieres im Kaufrecht werden.
Für den Verbrauchsgüterkauf enthält § 477 BGB eine wesentliche Änderung, soweit es sich um Sachen handelt: Die Beweislastumkehr dahingehend, dass der gewerbliche Verkäufer die Mangelfreiheit seiner Ware beweisen muss, gilt nun nicht mehr nur für sechs Monate, sondern für ein Jahr. Für den Kauf von lebenden Tieren bleibt es allerdings bei der Beweislastumkehr für sechs Monate.
Ferner ist beim Verbrauchsgüterkauf das Rücktrittsrecht des Käufers gestärkt worden: Nach § 475 d BGB ist der Rücktritt nicht nur nach zweimaligem, vergeblichem Nacherfüllungsversuch des Käufers statthaft, sondern bereits dann, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung trotz Setzens einer angemessenen Frist nicht vorgenommen hat (was „angemessen“ ist, ist wiederum eine Frage des Einzelfalles) oder wenn sich trotz Nacherfüllung ein Mangel zeigt oder aber bei einem so schwerwiegenden Mangel, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist.
RA Dietrich Rössel, Königstein