Rössels Recht
Dietrich Rössel arbeitet nach über 20 Jahren als Rechtsanwalt in einer Naturschutzbehörde und stellt uns regelmäßig die neuesten Rechtsfragen rund um das Tier vor.
Erfordernis einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG
Das VG Karlsruhe (Az.: 12 K 2735/16) hat entschieden, dass ein gewerblicher Tierzüchter, der in seinem Heimatland über eine Genehmigung zur gewerblichen Zucht von Wirbeltieren verfügt, auch eine deutsche Erlaubnis nach § 11 TierSchG benötigt, wenn er seine Nachzuchten in Deutschland verkaufen will.
Der Züchter war bereits im Vorfeld des verwaltungsrechtlichen Verfahrens zu einer erheblichen Geldbuße verurteilt worden, weil er seine in Litauen rechtmäßig gezüchteten Tiere ohne die erforderliche Erlaubnis nach dem Tierschutzgesetz in Deutschland verkauft hatte. In der Folge wurde ihm der gewerbsmäßige Handel in Deutschland untersagt; die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Gericht ging von einem gewerbsmäßigen Tierhandel aus und hielt zunächst fest, dass auch eine präventive Untersagung bereits rechtmäßig wäre, wenn davon auszugehen sei, dass jemand ohne Genehmigung mit dem Handel beginnen will und dass dieser Beginn unmittelbar bevorsteht. Die Angabe einer ausländischen Anschrift ändere hieran nichts, da der Kläger in der Vergangenheit in Deutschland Verkaufsaktivitäten betrieben hatte und nach seinen eigenen Angaben die Tiere „weltweit“ verkaufe. Insbesondere komme es dabei weder auf den Wohnsitz des Verkäufers an noch auf den Sitz seines gewerblichen Zuchtbetriebes.
Zwar umfasse eine in Deutschland erteilte Genehmigung zur gewerblichen Zucht auch die Erlaubnis, diese Tiere zu verkaufen; eine ausländische Genehmigung erfülle diese Voraussetzungen jedoch nicht. Daher benötige er in Deutschland eine eigenständige Handelserlaubnis. Weder aus dem Tierschutzgesetz noch aus Unionsrecht ergebe sich, dass eine ausländische Zuchterlaubnis zum Handel mit Tieren in Deutschland berechtigen solle.
Daher sei die Untersagung des Handels rechtmäßig erfolgt; die Behörde habe hier zwar einen Ermessensspielraum (das bedeutet: Sie muss den Handel nicht untersagen, soll das aber im Regelfall tun), hier gebe es aber keine Anhaltspunkte dafür, von der Untersagung ausnahmsweise abzusehen.
Dietrich Rössel, Königstein
Die sofortige Veräußerung von Tieren
Mit Urteil vom 28.10.2020 (Az.: M 23 K 20.4732) hatte das Verwaltungsgericht München sich mit verschiedenen tierschutzrechtlichen Aspekten zu befassen.
Hier ging es zunächst um die Frage, ob die Regelung des § 16a TierSchG es erlaubt, tierschutzwidrig gehaltene Tiere nicht nur wegzunehmen, sondern sie auch sofort und ohne dem bisherigen Eigentümer eine Frist zur Herstellung tierschutzkonformer Zustände zu setzen, zu veräußern. Die sofortige Veräußerung ist dann zulässig, wenn eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich ist oder der bisherige Eigentümer trotz Fristsetzung durch das Veterinäramt keine ordnungsgemäße Haltung sicherstellt.
Allerdings ist eine Fristsetzung dann – ausnahmsweise – nicht notwendig, wenn die Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt, dass ein zeitnahes, ordnungsgemäßes Verhalten des Tierhalters nicht zu erwarten ist. Die mangelnde Sachkunde des Tierhalters oder erhebliches, tierschutzbezogenes Fehlverhalten können bei der Beurteilung herangezogen werden. Auch können das Fehlen jeglicher Einsicht in die Tierschutzwidrigkeit der Tierhaltung und die geäußerte Absicht, an den Bedingungen der Tierhaltung nichts ändern zu wollen, hier eine erhebliche Rolle spielen. Liegen erhebliche Verstöße vor, die jedem sachkundigen Tierhalter ohne weiteres auffallen müssen und die sogar ein Tierhaltungsverbot rechtfertigen könnten, dann muss das Veterinäramt keine Frist setzen, sondern darf weggenommene Tiere sofort notveräußern.
Interessant sind auch die Ausführungen zur artenschutzrechtlichen Zuverlässigkeit: Die Erlaubnis zur Haltung von Tieren, die unter Artenschutz stehen, kann beim Vorliegen erheblicher tierschutzrechtlicher Verstöße – auch wenn diese sich nicht einmal auf das unter Artenschutz stehende Tier beziehen – verweigert werden.
Auch zur Haltung von Fischen und Reptilien wurde Konkretes gesagt: Gefährliche Nitrat- und pH-Werte in einem Aquarium wurden als „Zufügung lang anhaltender Leiden“, eingestuft; das kann in strafrechtlicher Hinsicht durchaus eine Verurteilung nach § 17 TierSchG wegen Tierquälerei nach sich ziehen. Zur Vergesellschaftung ausschließlich männlicher Griechischer Landschildkröten hielt das Gericht, gestützt auf ein tierärztliches Gutachten, fest, dass jedenfalls in einem nicht gut strukturierten Terrarium dadurch erheblicher Stress zwischen den Tieren ausgelöst werde. Auch dies löse lang anhaltende Schmerzen und Leiden i. S. d. § 17 TierSchG aus.
Amüsantes am Rande: Das Gericht entscheidet ausdrücklich über die Wegnahme von „Wirbeltieren und Fischen“. Immerhin wurden die Fische durch diesen Fauxpas rechtlich nicht zu Unrecht schlechter gestellt ...
RA Dietrich Rössel, Königstein
Die Schuldrechtsreform 2022 – Änderungen im Kaufrecht
Das derzeitige Kaufrecht gilt in großen Teilen seit Anfang 2002. Eine Anpassung mit dem Ziel, das Kaufrecht innerhalb der EU zu harmonisieren, trat zu Beginn 2022 des Jahres in Kraft. Für den Kauf von Tieren (wie auch von Sachen) ist zunächst das neue Sachmangelrecht von Bedeutung. Es steht zu erwarten, dass der gewerbliche Verkäufer von Tieren künftig strengeren Haftungsmaßstäben ausgesetzt ist, da es einen neuen, erweiterten Mangelbegriff gibt.
Künftig muss die Kaufsache den objektiven Anforderungen und den subjektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen entsprechen (§ 434 BGB). Die „objektiven Anforderungen“ sind weiterhin die Eigenschaften, „die bei Sachen derselben Art üblich sind und vom Verkäufer erwartet werden können“. Ferner muss die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignen. Die „subjektiven Anforderungen“ sind die vereinbarte Beschaffenheit und die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung. Ferner ist die Kaufsache mit Verpackung, Anleitung und Zubehör zu übergeben („objektiv“: dasjenige, was erwartet werden kann – „subjektiv“: was vereinbart wurde). Diese Regelungen gelten für jeden Kauf, nicht nur für den Verbrauchsgüterkauf vom gewerblichen Verkäufer an den privaten Käufer.
Hier stellt sich die Frage, welche „Anleitungen“ (Pflegeanleitung? – In welcher Ausführlichkeit gerade bei pflegeintensiven Tieren?) einem Tier mitgegeben werden müssen, damit es überhaupt als mangelfrei gelten kann. Was bisher schon tierschutzrechtlich vorgegeben war, könnte also nun auch eine Voraussetzung für die Mangelfreiheit eines Tieres im Kaufrecht werden.
Für den Verbrauchsgüterkauf enthält § 477 BGB eine wesentliche Änderung, soweit es sich um Sachen handelt: Die Beweislastumkehr dahingehend, dass der gewerbliche Verkäufer die Mangelfreiheit seiner Ware beweisen muss, gilt nun nicht mehr nur für sechs Monate, sondern für ein Jahr. Für den Kauf von lebenden Tieren bleibt es allerdings bei der Beweislastumkehr für sechs Monate.
Ferner ist beim Verbrauchsgüterkauf das Rücktrittsrecht des Käufers gestärkt worden: Nach § 475 d BGB ist der Rücktritt nicht nur nach zweimaligem, vergeblichem Nacherfüllungsversuch des Käufers statthaft, sondern bereits dann, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung trotz Setzens einer angemessenen Frist nicht vorgenommen hat (was „angemessen“ ist, ist wiederum eine Frage des Einzelfalles) oder wenn sich trotz Nacherfüllung ein Mangel zeigt oder aber bei einem so schwerwiegenden Mangel, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Haftung bei Miettieren außer Rand und Band
Der Halter eines vermieteten Tieres ist nach § 833 BGB auch für Schäden haftbar, die während der Beaufsichtigung des Tieres durch den Mieter entstehen. Das OLG Oldenburg (Az.: 8 U 7/20) sprach einem Kind Schmerzensgeld in ungekürzter Höhe zu. Die Mutter des Kindes hatte für einen Ausritt ein Pony gemietet und das Tier selbst geführt. Das Pony riss sich jedoch los, das Kind fiel herunter und verletzte sich.
Das Argument des Tierhalters, die Mutter des Kindes treffe ein Mitverschulden, ließ das Gericht nicht gelten. Sie sei zwar Tierhüterin i.S.d. § 834 BGB und hafte daher – wenn auch nicht aus Gefährdungshaftung – aufgrund vermuteten Verschuldens. Allerdings habe sie diese Vermutung widerlegt und nachgewiesen, dass sie kein Verschulden treffe. Als Mieterin habe sie davon ausgehen dürfen, dass das vermietete Tier nicht besonders gesichert werden müsse, sondern im Gelände sicher geführt werden könne. Der Vermieter habe das Tier auch nur mit einem einfachen Führstrick übergeben. Sie habe zudem keine Möglichkeit gehabt, das Tier zu stoppen. Daher sei ihr kein Mitverschulden anzulasten und die Haftung des Tierhalters bestehe ohne Einschränkung.
Wer ein Tier regelmäßig Dritten zur Verfügung stellt oder es sogar gewerblich vermietet, sollte unbedingt eine Haftpflichtversicherung abschließen, die ausdrücklich auch dieses besondere Risiko umfasst.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Auf ein Neues: Tierkauf
Wieder einmal musste der Bundesgerichtshof sich mit rechtlichen Fragen zum Tierkauf befassen (Urteil vom 27.05.2020, Az. VIII ZR 315/18).
Der Verkäufer eines Tieres haftet nach dieser Entscheidung nur dafür, dass es bei Übergabe („Gefahrübergang“) nicht krank ist und dass es sich auch nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen es mit hoher Wahrscheinlichkeit erkranken wird. Eine anderslautende, individuelle Beschaffenheitsvereinbarung ist jedoch zulässig.
Wenn das Tier also von der „physiologischen Norm“ abweicht, dadurch aber nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es künftig aufgrund klinischer Symptome für seinen eigentlichen Verwendungszweck nicht genutzt werden kann, gilt das Tier nicht als mangelhaft. Das trifft auch für ein vom „Idealzustand abweichendes Verhalten zu: Nicht jedes abweichende Verhalten ist ein Mangel.
Gleichzeitig nahm der BGH nochmals zur Frage der kaufrechtlichen Beweislastumkehr beim Kauf von einem Händler an einen privaten Käufer Stellung: Die Beweislastumkehr zugunsten des Käufers tritt bereits dann ein, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Zustand am Tier zeigt, der eine Mangelhaftigkeit begründet, weil eben die geschuldete Beschaffenheit des Tieres bei Übergabe nicht vorlag (es sei denn, der Verkäufer kann tatsächlich beweisen, dass der Zustand bei Übergabe des Tieres noch nicht vorhanden und auch nicht angelegt war).
Damit hält der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung zum Tierkauf fest, vgl. auch Az. VIII ZR 32/16 und VIII 69/18). Ein „optimales Tier“ darf also nicht erwartet werden.
RA Dietrich Rössel, Königstein