Rössels Recht
Dietrich Rössel arbeitet nach über 20 Jahren als Rechtsanwalt in einer Naturschutzbehörde und stellt uns regelmäßig die neuesten Rechtsfragen rund um das Tier vor.
Strafecht: Tierquälerei durch Transport nicht transportfähiger Tiere
Das AG Bad Iburg (Az.: 23 Cs 296/20) hatte über die Strafbarkeit von Fahrern zu entscheiden, die Tiere transportiert hatten, obwohl diese aufgrund von bereits vorhandenen Verletzungen nicht mehr transportiert werden konnten, ohne dass der Transport ihnen erhebliche Schmerzen und Leiden zufügte.
Den Fahrern der Tiertransporte waren die Verletzungen der Tier bekannt, und sie hatten die Transporte trotzdem durchgeführt. Die Fahrer, so das Gericht, nahmen daher billigend in Kauf, dass den Tieren durch den Transport erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt wurden. Dieses billigende Inkaufnehmen führt rechtlich dazu, dass bedingter Vorsatz bezüglich der Folge anzunehmen ist. Damit wurden die Fahrer der Tierquälerei für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe verurteilt.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Aufnahme von Wildtieren
Das VG Darmstadt (Az.: 5 L 1/11 DA) musste sich mit der Frage befassen, ab wann die Aufnahme einzelner, ggf. pflegebedürftiger Wildtiere erlaubnispflichtig ist.
Eine Tierschützerin lag im Rechtsstreit mit dem zuständigen Veterinäramt, weil sie Igel und auch andere Tiere aufgenommen hatte, um sie gesund zu pflegen. Streitig war u. a., ob die Aufnahme vereinzelter Wildtiere bereits dazu führt, dass eine erlaubnispflichtige Tätigkeit nach § 11 TierSchG vorliegt. Hier stellte das Gericht klar, dass die Aufnahme vereinzelter – auch unter Artenschutz stehender – Wildtiere nicht der Erlaubnispflicht des § 11 TierSchG unterliegt. Auch stünden die artenschutzrechtlichen Besitzverbote des § 44 BNatSchG einem solchen Handeln nicht entgegen. § 45 Absatz 5 BNatSchG erlaube nämlich die Aufnahme verletzter, kranker oder hilfloser Tiere zum Zweck des Gesundpflegens und unverzüglichen Wiederauswilderns ausdrücklich, soweit nicht jagdrechtliche Vorschriften entgegenstünden.
Das Gericht zeigte allerdings auch die Grenzen tierschützerischen Handelns auf und machte deutlich, dass derjenige, der hilfsbedürftige Tiere in größerem Umfang aufnimmt, eine tierheimähnliche Einrichtung betreibt und daher eine Erlaubnis nach § 11 TierSchG benötigt. Hier hatte die Klägerin neben den Igeln, für die sie eine entsprechende Erlaubnis hatte, rund 40 Wasservögel sowie weitere Vögel und eine zweistellige Anzahl weiterer Säugetiere aufgenommen. Eine Erlaubnis nach § 11 TierSchG hatte sie hierfür nicht. Sie betrieb damit zwar kein Tierheim – dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn sie sich um Heimtiere gekümmert hätte, sie befasste sich jedoch ausschließlich mit Wildtieren. Allerdings wurde ihre Tierhaltung als tierheimähnliche Einrichtung eingestuft. Dies ist dann der Fall, wenn die Gründe, die für die Erlaubnispflicht der Tierhaltung im Tierheim vorliegen, auf die zu prüfende Einrichtung bezogen gleichfalls zutreffen. Vor allem wenn viele Tiere an einem Ort konzentriert gehalten werden, soll die Erlaubnispflicht sicherstellen, dass keine Verstöße gegen die Haltungsanforderungen zu befürchten sind.
Da hier keine Genehmigung vorlag – außer derjenigen für die Igelhaltung –, durfte das Veterinäramt die Haltung der weiteren Tiere untersagen, solange keine Genehmigung nach § 11 TierSchG erteilt war.
RA Dietrich Rössel, Königstein
Wildlebende Tiere sind auch außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes geschützt!
Mit Urteil vom 12.06. 2020 (Az.: C-88/19) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass streng geschützte, wildlebende Tierarten auch dann ihren Schutzstatus behalten, wenn sie sich außerhalb ihres Habitats bewegen.
Das Verfahren vor dem EuGH wurde durch einen Vorfall in Rumänien verursacht. Ein besonders geschütztes, wildlebendes Tier – ein Wolf – war in einem Dorf gefangen und abtransportiert worden. Der Transport in ein Reservat misslang, ein Strafverfahren folgte. Das zuständige Gericht ließ vom EuGH klären, ob die Schutzbestimmungen der Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie) auch für Tiere gelten, die sich außerhalb des Habitats aufhielten.
Der EuGH bejahte diese Frage: Der strenge Schutz bestimmter geschützter Tierarten erstreckt sich somit auch auf Exemplare, die ihren natürlichen Lebensraum verlassen und sich beispielsweise in menschlichen Siedlungsgebieten aufhalten. Auch das Fangen oder gar Töten solcher Exemplare ist ein „Entnehmen aus der Natur“ und damit grundsätzlich nicht zulässig.
Diese Auslegung, so das Gericht, sei mit dem Zweck der Norm vereinbar; schließlich gehe es darum, die gefährdeten Arten nicht nur an bestimmten Orten zu schützen, sondern auch an Orten, an denen sie Gebiete berühren, die vom Menschen beansprucht würden. Es dürfe also keine Rolle spielen, ob sich die Exemplare einer geschützten wildlebenden Art in ihrem gewöhnlichen Lebensraum, in Schutzgebieten oder in der Nähe menschlicher Niederlassungen befänden. Schutz bestehe in jedem Fall.
Es liege allerdings in der Hand der Mitgliedsstaaten, gegebenenfalls einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der es erlaube, Maßnahmen zur Verhütung von Schäden z. B. an Kulturen oder an der Tierhaltung zu ergreifen. Auch die öffentliche Sicherheit – Gefahrenabwehr! – könne es rechtfertigen, dass einzelne Mitgliedsstaaten entsprechende gesetzliche Regelungen erlassen, um zum Schutz anderer Rechtsgüter beispielsweise ein gefährliches, aber unter Artenschutz stehendes Tier zu fangen und umzusiedeln.
RA Dietrich Rössel
Die Habitatrichtlinie finden Sie hier:
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=
CONSLEG:1992L0043:20070101:DE:PDF
… und hier gibt es weitere Informationen:
http://www.fauna-flora-habitatrichtlinie.de/
Tierschutzrechtliche Haltungs- und Betreuungsverbote
Stellt ein Veterinäramt grobe Missstände in der Tierhaltung fest, hat es u. a. die Möglichkeit, gegenüber dem Tierhalter ein tierschutzrechtliches Haltungs- und Betreuungsverbot zu verhängen. In aller Regel wird bei einer derartigen Verbotsverfügung der Sofortvollzug angeordnet, damit etwaige Rechtsmittel nicht zur Beibehaltung des tierschutzwidrigen Zustandes führen.
Mit dieser Problematik hatte sich das Verwaltungsgericht Magdeburg zu befassen (Az.: 1 B 277/19 MD). Hier hatte ein Tierhalter sich gegen die Anordnung eines solchen Verbotes gewehrt. Das Gericht wies den Antrag allerdings zurück. Die amtstierärztlichen Kontrollberichte seien als Grundlage hierfür ausreichend, was in den meisten derartigen Fällen so gesehen wird: Diese werden vom Gericht in aller Regel als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ gewertet. Wiederholte und grobe Verstöße gegen die Vorschriften zur Tierhaltung, die dazu führten, dass den Tieren erhebliche oder länger andauernde Schmerzen oder Leiden bzw. erhebliche Schäden zugefügt würden, sind gewöhnlich Grund für die Verhängung eines solchen Verbotes, erst recht im Zusammenhang mit der Prognose, dass auch für die Zukunft erhebliche Verstöße zu erwarten sind.
So hatte auch das VG Trier (Az.: 8 K 4155/19) entschieden, dass ein Tierhalter keinen Anspruch auf Wiedergestattung der Tierhaltung habe: Wenn schon über einen langen Zeitraum immer wieder gravierende Mängel vorlägen und darüber hinaus der Kläger auch nach Jahren im Rahmen des Wiedergestattungsverfahrens keinerlei Einsicht zeige, müsse im Falle einer Gestattung der Tierhaltung erneut mit tierschutzrechtlichen Verstößen gerechnet werden.
Sollte es also zu einem Tierhaltungsverbot kommen, ist es sowohl für das direkte Vorgehen als auch gegebenenfalls später für ein Verfahren auf Wiedergestattung der Tierhaltung unbedingt notwendig, nicht nur an der eigenen Sachkunde zu arbeiten (und dies auch nachzuweisen, z. B. mit entsprechenden Fortbildungsnachweisen), sondern auch sein eigenes früheres Verhalten kritisch zu hinterfragen und deutlich zu machen, dass man aus Fehlern gelernt hat.
Die Rechtsgrundlage für Tierhaltungsverbote finden Sie in § 16 a Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG: https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/__16a.html
Tierschutzvertrag und Schadensersatz
Das AG Kassel (Az.: 435 C 2900/18) hat der Klage einer Tierhalterin stattgegeben, die von einem Tierschutzverein ein bereits erkranktes Tier übernommen hatte. Nur wenige Tage, nachdem die Klägerin mit dem Verein einen „Tierschutzvertrag“ abgeschlossen und das Tier erhalten hatte, musste sie erhebliche Beträge für tierärztliche Behandlungen aufwenden; die zu behandelnden Erkrankungen waren schon vorhanden gewesen.
Der Verein behauptete, die Vorerkrankungen seien der Klägerin mitgeteilt worden und im Übrigen sei ein Haftungsausschluss vereinbart gewesen. Dieser Argumentation schloss sich das Gericht jedoch nicht an und verurteilte den beklagten Verein, die Tierarztkosten zu erstatten.
Der Tierschutzvertrag sei ein „Vertrag eigener Art“ und seinem Wesen nach am ehesten als Verwahrungsvertrag nach den §§ 688 ff. BGB auszulegen (dem ist zuzustimmen – auch das AG Königstein / Ts. hat unter Az. 21 C 179/12 einen Tierschutzvertrag als atypischen Vertrag auf Basis der Vorschriften über die Verwahrung eingestuft). Die Klägerin habe sich also als „Verwahrerin“ um das Tier zu kümmern, da kein Eigentum übertragen worden sei. Damit bleibe der beklagte Verein Eigentümer des Tieres; auch die Zahlung einer „Schutzgebühr“ ändere hieran nichts. Diese habe sich aus Positionen zusammengesetzt, die gerade nicht den Kaufpreis umfassten (medizinische Versorgung, Transport, Pensionskosten, Schutzgebühr). Die „typischen Eigentümerrechte“ seien jedoch, wie in Tierschutzverträgen üblich, gerade nicht übertragen worden, und die Klägerin sei zahlreichen Verpflichtungen unterworfen (Kontrollrecht der Beklagten, Anzeigepflicht bei Umzügen u. v. a.).
Da der beklagte Verein Eigentümer bleibe, sei er auch weiterhin für die medizinische Versorgung zuständig. Das sei auch deshalb der Fall, weil die Klägerin einen Teil der Pauschale für medizinische Versorgung gezahlt habe. Damit sei der Beklagte auch für Tierarztkosten zuständig, die nach der Überlassung des Tieres an die Klägerin entstünden. Der beklagte Verein habe daher die notwendigen medizinischen Aufwendungen zu erstatten (§ 693 BGB). Das Gericht wies gleichzeitig darauf hin, dass im Falle des Fehlens einer vertraglichen Regelung ein Tierschutzverein als Eigentümer nach den Regeln über die „Geschäftsführung ohne Auftrag“ nach § 683 BGB Aufwendungsersatz verlangen könne, wenn die Aufwendungen notwendig gewesen seien.
Die vollständige Entscheidung finden Sie hier: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE190000601
Es ist übrigens durchaus möglich, andere wirksame Verträge abzuschließen, in denen die Tierarztkosten vom Übernehmer zu tragen sind. Ein solcher Vertrag war Gegenstand der Entscheidung des LG Krefeld, Az. 1 S 79/06; hier musste der Übernehmer die Tierarztkosten tragen, weil es vertraglich entsprechend vereinbart war.
- Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Befangenheit – auch in Prozessen „rund um das Tier“ ein Thema!
- Spenden an Tierschutzvereine sind nicht ohne weiteres steuerlich abzugsfähig!
- Beschlagnahme und Einziehung von besonders geschützten Arten: Die §§ 46 und 47 BNatSchG lassen der Behörde ein weitgehendes Ermessen!
- Tierhaltung und Mietrecht – es gibt weiterhin Grenzen!