Rössels Recht
Dietrich Rössel arbeitet nach über 20 Jahren als Rechtsanwalt in einer Naturschutzbehörde und stellt uns regelmäßig die neuesten Rechtsfragen rund um das Tier vor.
Wenn der Vermieter klingelt
Das AG Alsfeld (Az.: 30 C 73/20 (72)) hat einem Vermieter Recht gegeben, der gegenüber seinem Mieter eine Besichtigung der vermieteten Wohnung beanspruchte. Grundsätzlich bestehe ein solcher Anspruch auf Betreten und Besichtigen einer Wohnung durch den Vermieter nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes. Da die Wohnung ein verfassungsrechtlich geschützter Rückzugsraum ist, sei der Vermieter zur „schonenden Rechtsausübung“ gehalten. Eine Tierhaltung, die Anhaltspunkte für eine vertragswidrige Nutzung der gemieteten Wohnung gebe, sei aber ein ausreichender Grund für den Vermieter, ein Besichtigungsrecht geltend zu machen.
Im konkreten Fall ging es um die Haltung von insgesamt fünf Hunden. Es bestanden zwar Indizien dafür, dass der Vermieter drei davon entweder aufgrund langen Wissens um die Tierhaltung duldete oder aber sie hätte genehmigen müssen (einer der Hunde war ein Therapiehund), bezüglich zweier weiterer Hunde, die der Vermieter weder geduldet noch genehmigt habe, sei aber eine vertragswidrige Nutzung der Wohnung jedenfalls naheliegend: Daher bestehe ein Besichtigungsrecht des Vermieters.
Auch vorhergehende Besichtigungen aus anderem Anlass seien nicht geeignet, das Besichtigungsrecht des Vermieters aus Anlass der Tierhaltung auszuschließen.
Dietrich Rössel, Königstein
Tierhalterhaftung und Mitverschulden
Der Halter eines Tieres haftet zwar in der Regel verschuldensunabhängig aufgrund der sogenannten „Gefährdungshaftung“ nach § 833 BGB. Die Haftung kann aber reduziert werden, wenn der Geschädigte seine eigene Verletzung mitverschuldet hat.
Das AG Rheine (Az.: 4 C 92/20) entschied, dass derjenige, der einen fremden Hund streichelt und dabei gebissen wird, sich ein Mitverschulden von 30 % zurechnen lassen muss. Das Tier hatte zwar zunächst die Hand der Geschädigten geleckt. Als diese aber einige Zeit später den Hund streicheln wollte, biss er zu.
Das Gericht bejahte zwar einen Anspruch aus § 833 BGB, kürzte diesen aber um 30 %: Ein erstmaliger kurzer Kontakt mit einem ansonsten völlig fremden Hund sei kein Grund, darin schon ein „Anfreunden“ zu sehen. Die Handbewegung in Richtung des Tieres habe von diesem daher als Angriff gewertet werden können. Wer ein solches, völlig typisches Hundeverhalten auslöse, müsse sich ein Mitverschulden von 30 % zurechnen lassen.
Erst recht dürfte ein solches Mitverschulden im Umgang mit Tieren anzunehmen sein, die keinerlei Bindung zu Menschen entwickeln, wie beispielsweise (gefährliche) Reptilien.
Dietrich Rössel, Königstein
Elterliche Haftung
Mit Urteil vom 15.12.2020 (Az.: VI ZR 224/20) hatte der BGH sich mit einer besonderen Frage der Tierhalterhaftung zu befassen. Soweit es um die private Hobbytierhaltung geht, ist die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Allerdings gibt es auch hiervon Ausnahmen. Wenn Eltern ein Tier halten und wenn dann durch das Verhalten dieses Tieres das minderjährige Kind verletzt wird, haften die Eltern nicht, solange sie die Verletzung nicht schuldhaft verursacht haben. Das Kind hat also keine Ansprüche aus Gefährdungshaftung gegen die Eltern, was in der Praxis nur dann von Bedeutung sein dürfte, wenn die Eltern – was selbstverständlich sein sollte – eine Tierhalter-Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben, die dann ggf. für die Schäden aufkommt.
Das Gericht bezog sich – wie auch schon die Gerichte der beiden vorangegangenen Instanzen – auf § 1664 Absatz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift müssen Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einstehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Gegenüber dem eigenen Kind entfalle die Haftung für leicht fahrlässiges Handeln; darüber hinaus sei die Vorschrift des § 1664 BGB so auszulegen, dass auch die Gefährdungshaftung gegenüber dem Kind wegfalle.
Auktionen und Sachmängel
Das OLG Schleswig-Holstein (Az.: 6 U 56/18) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Käufer eines hochwertigen Tieres wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten war. Der Käufer war wegen behaupteter Mängel vom Kaufvertrag zurückgetreten und wurde daraufhin vom Verkäufer auf Zahlung verklagt. Da der Käufer dem Verkäufer keine Gelegenheit zur gesetzlich an sich vorgesehenen Nacherfüllung gegeben hatte, wurde er in erster Instanz zur Zahlung verurteilt.
Seine Berufung war im Ergebnis erfolglos. Allerdings ging das OLG Schleswig davon aus, dass der Käufer keine Nacherfüllung verlangen konnte bzw. musste: Eine Ersatzlieferung sei in den Auktionsbedingungen wirksam ausgeschlossen worden (bei einer Auktion ist das möglich) und der Verkäufer habe auch kein gleichwertiges Ersatztier liefern können.
Im Falle eines Mangels hätte der Käufer also tatsächlich ausnahmsweise sofort vom Kaufvertrag zurücktreten können. Allerdings blieb der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Er konnte keinen Mangel des Tieres nachweisen, der ein Rücktrittsrecht ausgelöst hätte. Bei Übergabe des Tieres war lediglich eine kleine Fehlbildung vorhanden, aber zum Zeitpunkt der Auktion bereits bekannt. Damit konnte der Käufer sich darauf nicht berufen und alle Folgerisiken dieser Fehlbildung gehörten zur vereinbarten Beschaffenheit des Tieres.
Schließlich versuchte der Käufer sich noch unter Bezugnahme auf einen Herzbefund des Tieres der Zahlungspflicht zu entziehen. Auch hiermit scheiterte er, da ihm ein zu untersuchendes Herzgeräusch zum Zeitpunkt der Auktion bekannt war. Auch insoweit ging das Gericht davon aus, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Auktion kein Mangel vorlag. Zum Zeitpunkt der Übergabe sei das Herzgeräusch noch nicht als Sachmangel einzustufen gewesen; eine spätere Entwicklung habe man nicht vorhersehen können und die bloße Möglichkeit einer negativen Entwicklung in der Zukunft sei bei einem Tier noch nicht als Sachmangel anzusehen.
Daher blieb der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, auch wenn das Tier zwischenzeitlich, unter Umständen aufgrund des Herzehlers, gestorben war.
Der Mini-Zoo beim Nachbarn …
Der VGH Baden-Württemberg (Az.: 8 S 2711/19) hatte sich mit der planungsrechtlichen Zulässigkeit einer privaten Kleintierhaltung zu befassen. Ein Grundstückseigentümer versuchte, die zuständige Baubehörde gerichtlich zum Vorgehen gegen die Tierhaltung seines Nachbarn zu zwingen.
Dieser Nachbar hielt Hasen, Frettchen, Geflügel, Hunde und Katzen sowie einige Papageien und Rennmäuse. Die Grundstücke lagen in einem reinen Wohngebiet. Nachdem die Kläger in erster Instanz erfolgreich waren, gingen die Tierhalter, die als sogenannte „Beigeladene“ an dem Verfahren beteiligt wurden, erfolgreich gegen die Entscheidung vor.
Der VGH hielt zunächst fest, dass die Tierhaltung nicht in ihrer Gesamtheit, sondern getrennt bezüglich der im Haus und im Freien gehaltenen Tiere zu betrachten und hinsichtlich ihrer Zulässigkeit zu prüfen sei. Die Tierhaltung im Freien (Geflügel, Hasen, Frettchen) sei nach § 14 der Baunutzungsverordnung zu beurteilen. Insoweit handle es sich bei den Gehegen um „Nebenanlagen“, die von ihrem Umfang her noch als typische freizeitbezogene Nebennutzung eines Wohngebäudes einzustufen und daher zulässig seien. Die Tierhaltung sei dem Wohnzweck untergeordnet. 13 Hühner und sieben Enten seien von einem Nachbarn noch hinzunehmen. Ebenso sei die Hasen- und Frettchenhaltung in Gehegen auf der Terrasse einzustufen.
Die weitere Tierhaltung im Haus (vier Wohnungskatzen, sechs Papageien, zwei Hunde) sei von einer Baugenehmigung zur Wohnnutzung ohnehin bereits gedeckt. Gleiches gelte für die sechs Rennmäuse.
Die Tierhaltung blieb daher im Ganzen genehmigt und musste nicht aufgegeben werden.
Dietrich Rössel, Königstein