Rössels Recht
Dietrich Rössel arbeitet nach über 20 Jahren als Rechtsanwalt in einer Naturschutzbehörde und stellt uns regelmäßig die neuesten Rechtsfragen rund um das Tier vor.
Elterliche Haftung
Mit Urteil vom 15.12.2020 (Az.: VI ZR 224/20) hatte der BGH sich mit einer besonderen Frage der Tierhalterhaftung zu befassen. Soweit es um die private Hobbytierhaltung geht, ist die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Allerdings gibt es auch hiervon Ausnahmen. Wenn Eltern ein Tier halten und wenn dann durch das Verhalten dieses Tieres das minderjährige Kind verletzt wird, haften die Eltern nicht, solange sie die Verletzung nicht schuldhaft verursacht haben. Das Kind hat also keine Ansprüche aus Gefährdungshaftung gegen die Eltern, was in der Praxis nur dann von Bedeutung sein dürfte, wenn die Eltern – was selbstverständlich sein sollte – eine Tierhalter-Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben, die dann ggf. für die Schäden aufkommt.
Das Gericht bezog sich – wie auch schon die Gerichte der beiden vorangegangenen Instanzen – auf § 1664 Absatz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift müssen Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einstehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Gegenüber dem eigenen Kind entfalle die Haftung für leicht fahrlässiges Handeln; darüber hinaus sei die Vorschrift des § 1664 BGB so auszulegen, dass auch die Gefährdungshaftung gegenüber dem Kind wegfalle.
Auktionen und Sachmängel
Das OLG Schleswig-Holstein (Az.: 6 U 56/18) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Käufer eines hochwertigen Tieres wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten war. Der Käufer war wegen behaupteter Mängel vom Kaufvertrag zurückgetreten und wurde daraufhin vom Verkäufer auf Zahlung verklagt. Da der Käufer dem Verkäufer keine Gelegenheit zur gesetzlich an sich vorgesehenen Nacherfüllung gegeben hatte, wurde er in erster Instanz zur Zahlung verurteilt.
Seine Berufung war im Ergebnis erfolglos. Allerdings ging das OLG Schleswig davon aus, dass der Käufer keine Nacherfüllung verlangen konnte bzw. musste: Eine Ersatzlieferung sei in den Auktionsbedingungen wirksam ausgeschlossen worden (bei einer Auktion ist das möglich) und der Verkäufer habe auch kein gleichwertiges Ersatztier liefern können.
Im Falle eines Mangels hätte der Käufer also tatsächlich ausnahmsweise sofort vom Kaufvertrag zurücktreten können. Allerdings blieb der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Er konnte keinen Mangel des Tieres nachweisen, der ein Rücktrittsrecht ausgelöst hätte. Bei Übergabe des Tieres war lediglich eine kleine Fehlbildung vorhanden, aber zum Zeitpunkt der Auktion bereits bekannt. Damit konnte der Käufer sich darauf nicht berufen und alle Folgerisiken dieser Fehlbildung gehörten zur vereinbarten Beschaffenheit des Tieres.
Schließlich versuchte der Käufer sich noch unter Bezugnahme auf einen Herzbefund des Tieres der Zahlungspflicht zu entziehen. Auch hiermit scheiterte er, da ihm ein zu untersuchendes Herzgeräusch zum Zeitpunkt der Auktion bekannt war. Auch insoweit ging das Gericht davon aus, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Auktion kein Mangel vorlag. Zum Zeitpunkt der Übergabe sei das Herzgeräusch noch nicht als Sachmangel einzustufen gewesen; eine spätere Entwicklung habe man nicht vorhersehen können und die bloße Möglichkeit einer negativen Entwicklung in der Zukunft sei bei einem Tier noch nicht als Sachmangel anzusehen.
Daher blieb der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, auch wenn das Tier zwischenzeitlich, unter Umständen aufgrund des Herzehlers, gestorben war.
Der Mini-Zoo beim Nachbarn …
Der VGH Baden-Württemberg (Az.: 8 S 2711/19) hatte sich mit der planungsrechtlichen Zulässigkeit einer privaten Kleintierhaltung zu befassen. Ein Grundstückseigentümer versuchte, die zuständige Baubehörde gerichtlich zum Vorgehen gegen die Tierhaltung seines Nachbarn zu zwingen.
Dieser Nachbar hielt Hasen, Frettchen, Geflügel, Hunde und Katzen sowie einige Papageien und Rennmäuse. Die Grundstücke lagen in einem reinen Wohngebiet. Nachdem die Kläger in erster Instanz erfolgreich waren, gingen die Tierhalter, die als sogenannte „Beigeladene“ an dem Verfahren beteiligt wurden, erfolgreich gegen die Entscheidung vor.
Der VGH hielt zunächst fest, dass die Tierhaltung nicht in ihrer Gesamtheit, sondern getrennt bezüglich der im Haus und im Freien gehaltenen Tiere zu betrachten und hinsichtlich ihrer Zulässigkeit zu prüfen sei. Die Tierhaltung im Freien (Geflügel, Hasen, Frettchen) sei nach § 14 der Baunutzungsverordnung zu beurteilen. Insoweit handle es sich bei den Gehegen um „Nebenanlagen“, die von ihrem Umfang her noch als typische freizeitbezogene Nebennutzung eines Wohngebäudes einzustufen und daher zulässig seien. Die Tierhaltung sei dem Wohnzweck untergeordnet. 13 Hühner und sieben Enten seien von einem Nachbarn noch hinzunehmen. Ebenso sei die Hasen- und Frettchenhaltung in Gehegen auf der Terrasse einzustufen.
Die weitere Tierhaltung im Haus (vier Wohnungskatzen, sechs Papageien, zwei Hunde) sei von einer Baugenehmigung zur Wohnnutzung ohnehin bereits gedeckt. Gleiches gelte für die sechs Rennmäuse.
Die Tierhaltung blieb daher im Ganzen genehmigt und musste nicht aufgegeben werden.
Dietrich Rössel, Königstein
Wieder einmal: Die rechtswidrige Herkunft artengeschützter Tiere schlägt über die Generationen durch!
Mit Urteil vom 08.09.2022 (Az.: C 659/20) hat der EuGH die bisherige Linie der Rechtsprechung zur Beweislastumkehr im Artenschutzrecht bestätigt.
Der in einem EU-Staat ansässige Züchter einer streng geschützten Tierart – konkret ging es um Aras – hatte Befreiungen vom Vermarktungsverbot für seine Nachzuchttiere beantragt. Deren Großelterntiere waren weit mehr als 20 Jahre zuvor in die EU eingeführt worden, wohl unter Verstoß gegen die Bestimmungen des WA. Die zuständige Behörde verweigerte die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung, da die rechtmäßige Herkunft des „Zuchtstocks“ nicht nachgewiesen sei.
Der Züchter vertrat nun die Auffassung, der Begriff des „Zuchtstockes“ erfasse nur die zur Genehmigung stehenden Tiere sowie deren Eltern. Nachdem das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik diese Rechtsfrage dem EuGH vorgelegt hatte, hielt der EuGH fest, dass Vorfahren der gezüchteten Tiere dann nicht unter den Begriff des „Zuchtstocks“ fallen, wenn sie nie im Eigentum des Züchters bzw. Antragstellers gestanden haben. Wenn aber Vorfahren dieses Zuchtstocks zu einem Zeitpunkt der Natur entnommen wurden, zu dem die Art bereits in Anhang 1 des WA geführt wurde, dann darf nach Auffassung des EuGH ein EU-Mitgliedsstaat keine Ausnahme vom Verkaufsverbot genehmigen. Das Eigentumsrecht, so der EuGH, dürfe Beschränkungen unterworfen werden, wenn der Schutz wildlebender Arten dies rechtfertige. Wenn also Vorfahren des Zuchtstocks von Dritten in einer dem Artenschutzrecht entgegenstehenden Weise erworben wurden, steht dies auch für Generationen später entstandene Nachzuchten einer Ausnahme vom Verkaufsverbot entgegen.
Die Entscheidung zeigt wieder einmal die Notwendigkeit einer lückenlosen Dokumentation der Herkunft geschützter Tiere über Generationen hinweg auf. Wenn hier wirklich Unklarheiten vorliegen, ist allen Haltern seltener Arten die Inanspruchnahme rechtlichen Rates dringend anzuraten. Da die Vorschriften über die Einziehung, also Enteignung, geschützter Tier- und Pflanzenarten die zuständige inländische Behörde jedenfalls in Deutschland nicht zur Einziehung verpflichten, sondern ihnen ein Ermessen einräumen („Kann-Vorschrift“, s. z. B. § 47 BNatSchG), sollte möglichst frühzeitig darauf hingewirkt werden, rechtliche Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass eine weitere Zucht und Verbreitung der Nachzuchttiere in rechtmäßiger Weise erfolgen kann. So kann die Behörde beispielsweise die Alttiere einziehen, sie aber beim Züchter belassen und diesem ein Aneignungsrecht an den Nachzuchten zusprechen. Dieses Ziel zu erreichen, ist oft einfacher als befürchtet. Natürlich muss die zuständige Behörde davon überzeugt sein, dass der Tierhalter selbst um den Artenschutz bemüht ist und dass ihm die Rechtswidrigkeit der Ursprungstiere beim Erwerb seiner eigenen Tiere nicht bekannt war. Denn auch das nicht fahrlässige Handeln, das die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat ausschließt, ändert nichts daran, dass die Verwaltungsbehörde unabhängig hiervon tätig werden kann.
Dietrich Rössel, Königstein
Wieder einmal: Gefährliche Tiere!
Mit Beschluss vom 01.06.2022 (Az.: 10 ZB 22.1014) hat der VGH München sich mit dem „berechtigten Interesse“ als Voraussetzung für die rechtmäßige Haltung gefährlicher Tiere befasst. Die Antragstellerin scheiterte durch zwei Instanzen mit dem Versuch, die Haltung von Servalen genehmigt zu bekommen.
Insbesondere wurde hier das berechtigte Interesse der Antragstellerin an der Haltung der Tiere verneint. Aus der Entscheidung wird deutlich, dass neben artenschutzrechtlichen auch ausbilderische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Interessen ausreichend sein können, um ein berechtigtes Interesse an der Haltung gefährlicher Tiere bejahen zu können. Allein die vage Aussicht, vielleicht irgendwann mit der Nachzucht dieser Tiere trotz der eingeschränkten rechtlichen Möglichkeiten der Haltung Gewinn erzielen zu können, reiche nicht aus. Das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses verliere seine Bedeutung, wenn man jede vage Aussicht auf Gewinn ausreichen lasse.
Die Klägerin hatte darüber hinaus versucht, Fehler in der erstinstanzlichen Entscheidung darauf zu stützen, das Gericht hätte ein Sachverständigengutachten einholen müssen, um die Gefährlichkeit der Tierart zu klären. Auch damit scheiterte sie; insoweit erschien die Liste der Tierarten, die in den mittlerweile 7 Jahre alten Vollzugsbekanntmachungen zu Art. 37 LStVG aufgeführt sind, dem Gericht wohl ausreichend.
Beim Lesen der Entscheidung drängt sich der Eindruck auf, dass der Prozess in der ersten Instanz nicht sehr sorgfältig geführt und insbesondere zur Frage des berechtigten Interesses nicht ausreichend vorgetragen wurde. Solche Versäumnisse lassen sich in der zweiten Instanz in vielen Fällen nicht mehr nachholen! Die gründliche Vorbereitung eines Genehmigungsantrages bzw. des darauf folgenden Verfahrens ist daher unabdingbar.
Bei Tierarten, deren Gefährlichkeit nicht eindeutig ist, erkundigen Sie sich am besten vorab bei Ihrer Genehmigungsbehörde und bitten um verbindliche Auskunft, ob die Tiere als gefährlich – oder aber als genehmigungsfrei – eingestuft werden. Wenn Sie davon ausgehen, dass die Tiere ungefährlich sind, wäre nämlich gegenüber der Behörde u.U. nicht ein Genehmigungsantrag, sondern ein Antrag auf Feststellung der Ungefährlichkeit der Tierart der richtige Weg. Das ist aber alles eine Frage des Einzelfalles.
Dietrich Rössel, Königstein